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Kultur: Augenzwinkern mit Hindernissen Das 9. Sinfoniekonzert der Kammerakademie

Mit dem Humor ist es schon ein eigen Ding. Schenkelklopfend mag der eine, was ein anderer ziemlich degoutant findet.

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Mit dem Humor ist es schon ein eigen Ding. Schenkelklopfend mag der eine, was ein anderer ziemlich degoutant findet. Wie sagt das Sprichwort: Jedem recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann. Dennoch wagte die Kammerakademie Potsdam unter Antonello Manacorda am Samstag beim 9. Sinfoniekonzert im überschaubar besetzten Nikolaisaal den humoristischen Programmspagat. Fündig wurde der Dirigent im Fundus vom Komponisten, die sowohl klassische als auch barocke Versatzstücke als Ausgangspunkt für ihre recht originellen und witzigen Kreationen benutzten.

Zunächst Sergej Prokofjew mit seiner „Symphonie classique“. In ihren vier knappen Sätzen atmet sie den heiteren, unbeschwerten Geist Joseph Haydns. Die Ecksätze bedienen sich der klassischen Sonatenhauptsatzform, während Menuett und Gavotte des zweiten und dritten Satzes als Tänze in der Tradition der vorklassischen Orchestersuite stehen. Übermütig, keck und grotesk kichernd soll es nach Komponistenwunsch zugehen, dann wieder zart und kokett, bisweilen elegant vorüberhuschend und ironisch-turbulent endend. Doch davon ist in Manacordas Lesart leider nur wenig zu verspüren. Überwiegend laut und knallig, glasklar und klangspröde geht es zu. Klitzekleine Akzente werden nicht pointiert serviert, sondern forciert zu Tutti-Eruptionen aufgebläht. Und also erweist sich der Dirigent wieder einmal als ein Anatom, der den apollinischen, klassisch proportionierten Klangkörper in seine Einzelteile zerlegt – fein säuberlich getrennt in Knochen, Sehnen, Muskeln Blutleer schleppt sich das Menuett-Larghetto vorüber, nichtssagend die Gavotte. Im Finale weist der „Feldherr“ seiner Truppenteile jeden Einsatz, jeden kleinsten Ausfallschritt und jede thematische Kehrtwendung überaus penibel an. Schade, dass Prokofjews jugendfrischer Geniestreich derart unter die Räder gerät.

Ein wenig Wiedergutmachung ist angestrebt, als zum Konzertabschluss die charmante Orchestersuite „Der Bürger als Edelmann“ von Richard Strauss erklingt. Zu Bläserprotz führt sich jener Bürger Jourdin per Ouvertüre geradezu großkotzig ein. Barockisierend und fast klangzärtlich tönt das „Menuett“, während der „Fechtmeister“ dem Emporkömmling eine Lektion erteilt. Barocke Tanzmelodien aus der Feder von Jean-Baptiste Lully erfahren durch Strauss eine durchaus witzige romantische Verwandlung. Auch hierbei pflegt die Kammerakademie einen klaren und schlanken Klang, sodass sich Schwulst wie bei Strauss nicht ausbreiten kann.

Als „Abräumer“ des Abends erweist sich jedoch das Konzert für Marimba und Orchester des estnischen Komponisten Erkki-Sven Tüür (geb. 1959). Es trägt den Namen „Ardor“, was „Glut“ oder „Verlangen“ bedeutet. Dabei ist der Solist Johannes Fischer zu akrobatischen Vier-Schlegel-Arbeiten angehalten, die er bravourös erledigt. Durch den gesamten Klangraum des Instruments hinweg geht es leidenschaftlich und virtuos zu, finden Glut und Verlangen eine direkte Entsprechung. Hart ist Fischers Anschlag, enorm präzise das Zusammenspiel mit den Musikern, die den trockenen Ton lieben und den Mittelsatz zu einem Adagiogesang voller mystischer Stimmungen und wild auffahrender Energien gestalten. Der Solist wird gefeiert, bedankt sich mit einer gefühlsbewegenden Zugabe. Peter Buske

Peter Buske

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