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Kultur: Aus Angst unmündig

Das Jugend-Theater Ascha zeigte im Waldschloss sein neues Stück „Anybodys End“

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Das Jugend-Theater Ascha zeigte im Waldschloss sein neues Stück „Anybodys End“ Eine laute Maschine ist zu hören. Weiße Gestalten sitzen und hängen an einer hohen Leiter und wiederholen die immer gleichen, ruckenden Bewegungen. Am vorderen Rand der Bühne, in einem Lichtkegel, steht eine junge Frau. Der helle Strahl scheint sie einzusperren, angstvoll und hilflos reibt sie ihre Arme. Dunkel. Umbau. Unheilvolle bassige Musik. Als es wieder hell wird, stehen zwei schwarze Gestalten mit weißen Handschuhen in grünem Licht auf einem Podest im Hintergrund der Bühne. Sie sind erstarrt, die eine in horchender, die andere in spähender Haltung. Mit ausdrucksstarken, von Licht (Tili Gegenbauer) und Ton (René Wiegel) wirkungsvoll unterstützten Bildern beginnt das Theaterstück „Anybodys End“ der Theatergruppe „Ascha“ des Offenen Kunstvereins. Die Spieler und Spielerinnen sind zwischen 15 und 18 Jahre alt. Zwei Praktikantinnen haben mit der Gruppe in halbjähriger Arbeit dieses Stück auf der Grundlage von Günter Kunerts Kurzgeschichte „Zentralbahnhof“ entwickelt. Es ist die erste Regiearbeit von Nancy Beuster (22) und Anne Moder (21), die zweimal im Waldschloss zu sehen war. Ihre Inszenierung mischt abstrakte und surreale Elemente mit realistischen Szenen. Interessant, wie stilisierte Choreographien die Ausdruckskraft der jungen Darsteller steigern, während die Szenen, in denen sie realistisch spielen, kaum Spannung und Dichte schaffen. Etwa als um die schwarzen Gestalten auf dem Podest herum zu lauter Musik eine Wohnung eingerichtet wird: tanzend, wühlend, teilweise pantomimisch. Es sind es die reglosen Gestalten, die den Blick auf sich ziehen (Flo Hesselbarth und David Schröter). Wer sind sie? Nach ihrer ersten Nacht in der neuen Wohnung findet die junge Frau (Luca Arvunescu) einen Brief, der sie in die Abstellkammer des Zentralbahnhofs bestellt, zwecks ihrer Hinrichtung. Fassungslos verlässt sie die Wohnung, um Freunde (Julia Schilf, Erik Eichstädt) und einen Anwalt (Julian Mücke) um Rat zu fragen. Und da beginnen die schwarzen Gestalten zu sprechen. Es sind die Nachbarn der jungen Frau, die den unkonventionellen, andersartigen Einzug beobachtet haben und als Angriff auf ihre spießbürgerlich heile Welt betrachten: „Es muss etwas geschehen“. „Wo kämen wir da hin.“ „Ein Brief ist verfasst.“ Und dieser Brief treibt die junge Frau dazu, tatsächlich, wie befohlen, zu ihrer Hinrichtung zu gehen. Die Regisseurinnen interessiert an der Erzählung aus dem Jahr 1968 die Frage, was Menschen dazu treibt, ihre Mündigkeit aufzugeben. Von der Unmündigkeit durch Angst wollen sie erzählen. Und so betonen sie die Momente der kopflosen, alptraumhaften Angst ihrer Protagonistin und untersuchen eingehend den Moment, in dem sie sich entschließt, den Ort ihrer Hinrichtung zu betreten. Viermal wiederholt sich diese Szene, jedes Mal tritt die junge Frau mit einer anderen inneren Haltung auf, die den Verlauf der Dinge bestimmt und zeigt, dass sie letztendlich doch selbst ihr Schicksal in der Hand hat. Genau davor allerdings scheint sie Angst zu haben. Lieber will sie gehorchen. Lieber als Zahnrad des Getriebes funktionieren. Auch wenn das Stück, das nur eine gute dreiviertel Stunde dauert, einen unausgereiften Eindruck hinterlässt: Die Entwicklung der Theatergeschichte und die Fantasie, mit der die Jugendlichen es in Szene setzen, beeindrucken. Schön auch das Aufblitzen von darstellerischem Talent. Zum Beispiel bei Nina Remmlinger, die als Anwaltstippse hinreißend spielt. Das überwiegend junge Publikum applaudierte johlend seinen Freunden.

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