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Kultur: Aus dem Liebesleben der Tiere

Harald Arnold las im Garten Karl Foersters

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Wird „Im Garten vorgelesen“, darf Karl Foersters Gesamtkunstwerk in Bornstedt nicht fehlen. Die Urania lässt es sich nicht nehmen, ihre Gäste dort hinzuführen, wo einstens „durchgeblüht“ werden sollte, oder musste. Auch jetzt standen wieder Phlox und Geranium, Host und Polygonum, Hortensia und Agapanthus bestens im Saft, obwohl auch diese gepflegte Anlage von der vermehrungsfreudigen Wühlmaus nicht verschont bleibt.

Das lebendige Interieur dieses Anwesens aber fügte sich hervorragend ins Thema ein: Schauspieler Harald Arnold las aus dem um 1900 erschienenen „Liebesleben der Tiere“ von Wilhelm Bölsche. Dessen Freundschaft zu Ernst Haeckel machte den brillanten Naturbeobachter zu einem überzeugten Darwinisten und Evolutionsanhänger. Man gewann sehr bald den Eindruck, als hätte er nur aus diesem Grunde über Stör und Hering, Spinn und über das „entpelzte Tier Mensch“ geschrieben. Wie schön, dass solch vernunftbegabte Animalität wenigstens hübsch zu komponieren versteht: Karin Liersch, Violoncello, Brigitte Breitkreuz, Gitarre, und Hannes Immelmann, Querflöte, spielten die lieblichsten Volkslied-Arrangements.

In Marianne Foersters menschenvollen Zaubergarten nahm sich die Urania in eigener Sache beim Wort: Bildung für alle: Haeckel, Darwin und – Bölsche, den Miterfinder des „Friedrichshagener Dichterkreises“ um 1898!

Der erste Bericht führte ins Liebesleben der Spinnen ein. Man weiß das: Großes Weibchen, winziger Mann, stets in Gefahr, bei der Kopulation gefressen zu werden. Merkwürdigerweise steht der Autor stets auf der Seite der „Opfer“, die Dame sei „eine Künstlerin der Tierschlächterei“, verkündet er blumig. Vom Fressen zur Liebe, von der Liebe zur aufopferungsvollen Mutterschaft, das Riesenweib verendet erschöpft am Nest ihrer Brut. Hier sieht Bölsche nach Menschenart „absolute Reinheit“. Später wird er sogar die Ehe ad hoc stufenweise aus dem Tierreich herleiten: „Das Tier hat den Menschen erfunden – vorher aber die Ehe“.

Auch über den Stör weiß er Tolles zu berichten, wenn man dessen Erbmasse zählt und sie dem Menschen als Kaviar aufs Butterbrot streicht, „Fisch, der er einstmals war“. Mandrill und Mandrillin locken sich durch Beschau ihrer farbgrellen Hinterteile. Dann die Passage über den „enthaarten Menschen“, Bölsches Wundertierlein. Wahrscheinlich hat ihm Freund Haeckel verschwiegen, dass er sein Material fälschte, um das „Biogenetische Grundgesetz“, die Embryonalentwicklung des Menschen als Gang durch das Tierreich, durchzudrücken, sehr eifernd übrigens. Alles nicht neu.

Für eine Gartenschnurre war solche Lektüre trotzdem noch gut. Harald Arnold, nicht immer sicher, wie viel Abstand er mitlesen soll, stellte das Vorwort voran: Der Dreibänder richte sich an alle, „die vernünftig denken können“. Wer da nicht folgt, gehört eben nicht dazu. Das Publikum hörte alles mit großem Vergnügen und „Erkenntnisgewinn“ - wie man sich beim Finale gegenseitig versicherte. Gerold Paul

Gerold Paul

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