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Doku-Film über Spenden aus Potsdam: Aus dem Paradies gefallen
Schüler in Potsdam sammelten Geld für ihre Partnerschule in Mosambik. Was mit dem Geld passiert ist, zeigt ein Dokumentarfilm eindrücklich.
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Potsdam - Wenn man an einer Sportschule ist, dann muss man rennen. Viel rennen, eigentlich jeden Tag. Und einmal im Jahr rennt man für einen guten Zweck, zumindest an der Sportschule Potsdam am Luftschiffhafen. „Running and swimming for help“ heißt dort der Spendenlauf zugunsten der Partnerschule in Mosambik – hier setzt der Dokumentarfilm „Bunter Sand“ ein.
Denn der gute Zweck des Spendens – im letzten Jahr kamen 10.800 Euro zusammen – dient ja auch immer dazu, das Gewissen zu beruhigen. Was passiert aber, wenn man verfolgt, was mit den Spenden geschieht? Die Sportschüler reisen jedes Jahr zu ihren Partnerschulen nach Matola und Inhambane, um dort zu renovieren, Fußballtore zu bauen und Sportmaterialien zu kaufen. Die Potsdamerin Maxie Borchert war selbst an der Sportschule und auch mit in Mosambik, schnell war für sie klar, wieder dort hinzufahren. Diesmal mit einer Idee: Zusammen mit Clara Liepsch, die sie aus dem Theaterjugendclub vom Hans Otto Theater kannte, wollte sie einen Dokumentarfilm drehen, mit geringen technischen Mitteln – aber mit der genauen Vorstellung, zu dokumentieren, wie sich dieser „cultural clash“ auf die Schüler auswirkt. Am vergangenen Freitagabend hatte ihr Dokumentarfilm „Bunter Sand“ Premiere in der Reithalle des Hans Otto Theaters.
Schüler aus Potsdam stauen über die Einfachheit des Lebens
Dem Film tut es gut, dass er nicht hochprofessionell gedreht wurde – der Wind rauscht ins Mikrofon, die Gesichter bleiben auch mal im Dunkeln – die intensive Atmosphäre nimmt dennoch gefangen. Da stehen zwei 18-jährige Sportschüler an einem Fluss unter sengender Sonne und freuen sich darüber, dass ihre Klassenkameraden in Potsdam gerade Mathe-Unterricht haben, während sie sich im Paradies wähnen. Ein Paradies allerdings, das von Armut geprägt ist, wie sich herausstellen wird. Zunächst sind die Schüler nur Touristen, Neugierige, Staunende ob dieser Einfachheit des Lebens. Aber heißt das, nur weil Menschen kein Kabelfernsehen oder große Häuser haben, sie weniger glücklich sind?
Genau das ist der Moment, an dem alles kippt und der Lerneffekt gnadenlos einsetzt: Was ist, wenn man diese Menschen in ihrem vergleichsweise einfachen Leben als viel glücklicher empfindet, weil sie sich eben nicht durch Besitz definieren müssen? Viele scheinen eher erwartet zu haben, dass sie den Menschen in Mosambik als Verzweifelte begegnen – eine allzu typische Perspektive der europäischen Wohlstandsgesellschaft, die Dinge wie an einer Kette nach ganz unten durchreicht. Gewissermaßen ein Dilemma: Die Hilfe der Potsdamer ist hier willkommen, ganz klar, aber haben sie andere – etwa in Bürgerkriegsländern – nicht noch viel nötiger? Maxie Borcherts Dokumentarfilm, den sie auch zum „Sehsüchte“-Festival eingereicht hat, will an keiner Stelle moralisieren, aber Fragen aufwerfen will er schon. „Wir wollten ganz banal den Leuten mitgeben, dass sie Verantwortung haben“, sagt Maxie Borchert. Dabei will sie aber niemandem die Worte in den Mund legen. Am Anfang, sagt sie, stehe immer die scheinbare Unfähigkeit, etwas bewirken zu können – aber das stimmt einfach nicht: „Das ist irgendwie nur eine gute Ausrede.“ Wie in einer Graswurzelrevolution ist der Effekt immer zuerst an den Agierenden festzustellen. Und dieser Wandel wird im Laufe des Filmes deutlich, offenbart sich in den Interviews. „Das ist ein bisschen wie eine Coming-of-age-Geschichte, bei der sich die Protagonisten ja auch verändern“, so Maxie Borchert.
Europa schottet sich ab
Oft hätten beide abends herumgesessen und das Material ausgewertet, Interviews geplant, sagt Clara Liepsch, die bei der Regie assistierte und die Interviews im Film führte. Dabei taucht im Film immer wieder eine Person auf: der Regisseur und „taz“-Autor Milo Rau, der anschaulich erklärt, wie die Festung Europa sich abschottet – und damit eine Revolution von unten verhindert.
Einen Wermutstropfen gebe es, sagt Maxie Borchert: Das Interview mit einem deutschen Auswanderer nach Mosambik, das viele Hintergründe bereithielt, musste herausgeschnitten werden. Der Mann hatte schlicht Angst, dass ihm seine Ehrlichkeit über das politische System teuer zu stehen kommen könnte. Ganz so einfach ist es eben nicht, auch nicht im Paradies.
Der Film „Bunter Sand“ soll unter anderem in Schulen aufgeführt werden, Kontakt unter E-Mail: bunter.sand14@gmail.com
Oliver Dietrich
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