Kultur: Aus der Höh“ Chortreff im Treppenhaus
des Großen Waisenhaus
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Was tönt dort aus der Höh“? Frei nach dem bekannten Volkslied sind“s gar liebliche Weisen, die sich aus dem Kuppelumgang des zweiten Obergeschosses in die ebenerdige Rotunde des Eingangsbereiches des Großen Waisenhauses herniedersenken. Oben wie unten sind die Sitzplätze kreisförmig angeordnet. Vernünftige Nachhallzeiten ermöglichen der zum friedlichen Wettstreit im Treppenhaus angetretenen Sängerschar ein akkurates Singen. Die dazu erforderliche Gesangstechnik und Begeisterung bringen der Männerchor Dorfen (bei München) unter Leitung von Ernst Bartmann und der Mädchenchor „Cantabile Nova“ der Singschule Potsdam unter Christa Bleyl mit. Nachdem sie gemeinsam die eingängige Weise „Fröhlich klingen unserer Lieder“ (Lorenz Maierhofer) angestimmt haben, gibt jedes Ensemble abwechselnd Kunde von seinem A-cappella-Können.
Frisch tönen die Lieder, die von der Renaissancezeit bis ins Musicalzeitalter reichen und nach transparenter Auslegung der Melodielinien und Textverständlichkeit verlangen. Die Akustik trägt das Ihrige dazu bei, den Rest erledigen die Amateursänger. Die Damen zuerst. Sie wagen sich sogleich auf artifizielles Terrain von zartstimmiger Lyrik, die im modernen Chorsatz (u. a. Rainer Lischka) daherkommt. Dabei kann sich die Intonation wahrlich hören lassen. An den Liedschlüssen schwingen die Konsonanten nachhaltig zu weicher Klangmasse zusammen.
Nicht weniger gelungen der Einsatz für Johannes Brahms“ Volksliedbearbeitungen, deren schlichten Ton die Sängerinnen gut treffen. Auch der Wechsel von chorischen und solistischen Abschnitten („Schwesterlein, Schwesterlein“) gelingt ihnen nicht weniger überzeugend. Auch in ihrem dritten Vortragsblock mit Sätzen von Francis Poulenc (1899-1963) erfreuen sie die leider nur wenigen Zuhörer an einem Singen voller Wärme. Dieser Melodienreigen wird eingeleitet von zwei „Rufen der Hirtinnen“ aus der Feder von Jacobus Gallus-Handl (1550-1591), die vom glockenklaren Sopran einer Vorsängerin angeführt werden. Die Zuständigkeiten für Schmelz und Glanz überlassen die Damen den Gästen.
Auch sie treten in kammerchorischer Besetzung an, singen lebendig fern jeglichen negativen Beigeschmacks, dem der Männerchorgesang ob seiner übertriebenen Vereinsmeierei (ein Lied, ein Bier) über die Jahrzehnte hinweg anhaftete. Das brachte ihn ein wenig in Verruf. Die Dorfener jedoch besinnen sich wieder auf die ursprüngliche, schlichte und einfache Vortragsart, die allerdings – wer wüsste es nicht – so schwer zu machen ist. Ohne romantisch verschwommenes Seelenschmachten oder röhrendes Machogehabe grünt ihnen die Hoffnung (Eduard Kremser), besingen sie die Minne (Max Reger), tummeln sie sich in österreichischen Klanggefilden (Robert Stolz, Johann Strauß und Falco mit seinem „Rock me Amadeus“-Hit).
Die Chorsätze stammen durchweg vom Ensembleleiter Ernst Bartmann, aus dessen Zyklus „Der arme Unhold“ abschließend drei Stücke gemeinsam vorgetragen werden – ein gemischter Chor wie er im (Singe-)Buche steht. Die Ähnlichkeit zu Fabeln lässt sich nicht leugnen, soweit man des Textes Verständlichkeit hörend erfährt. Es ist selten genug. Dem auf einem Faltblatt nachzulesenden Wortlaut ist Witz und tiefere Bedeutung nicht abzusprechen. In der Vertonung und im Vortrag stellt sich beides nur bedingt her. Der reichlichen Stunde Erbaulichkeit folgt herzlicher Beifall. Und die Erkenntnis, dass der Ort künftig den kammerchorischen Sangesgemeinschaften Potsdams ein hochwillkommener Auftrittsort sein möge.Peter Buske
Peter Buske
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