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Kultur: Aus Sandmännchens Schlafsäckchen

Open-Air-Abschlusskonzert der Musikfestspiele und des Wissenschaftssommers am Neuen Palais

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Open-Air-Abschlusskonzert der Musikfestspiele und des Wissenschaftssommers am Neuen Palais Von Peter Buske Er erlebe „Tagträume in Musik“, bekannte Albert Einstein, und ein Leben ohne Musizieren könne er sich nicht vorstellen. Er spielte Geige, liebte Mozart, der ihm Trost bei vergeblicher Suche nach den letzen Geheimnissen der Materie spendete. Bach dagegen ermöglichte ihm die Klärung der Gedanken. Mit ihnen ist der Große Denker sozusagen im ständigen Dialog. Eine nette Geste der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, allein mit Werken von dessen Lieblingskomponisten ihr Abschlusskonzert zu bestreiten. Das Finale des Wissenschaftssommers profitiert ebenfalls davon. Und so feiern Musenfreunde wie Wissenschaftsfreaks gemeinsam das Ende ereignisreicher Tage und Wochen. Es ist ein lauer Sommerabend. Man sitzt auf der gartenbestuhlten Mopke, die eingerüsteten Communs im Rücken, ein von durchsichtiger Folie umspanntes Spielpodium vor sich. Der Durch-Blick zur rückwärtigen Ansicht des Neuen Palais bleibt ungetrübt. Getrübt ertönt dagegen manches aus dem Plastik-Kubus, was die Kammerakademie unter Anleitung der Konzertmeisterin Stephanie Gonley spielt, so allerdings nicht in den Noten steht. In Johann Sebastian Bachs 3. Orchestersuite D-Dur BWV 1068 sind''s vor allem die Trompeten, die ob ihrer Intonationstrübungen unsägliche Hörpein bereiten. Zwar geht es in der Ouvertüre geschwind zu, dennoch bleibt ihr musikalisches Geschehen langweilig. Das zum Adagio zerdehnte Air könnte aus Sandmännchens Schlafsäckchen stammen. Bei Gavotte I und Bourree sind Bläser und Streicher dann endlich für kurze Zeit beieinander und zusammen. Die Verstärkeranlage scheint abgestellt, als Mozarts A-Dur-Violinkonzert KV 219 an der Reihe ist. Spillrig, fast wie Radio in mono, tönt es aus dem Klangverschlag. Der Solist Daniel Hope überzeugt mit Spielfreude, mit klarem und sauberem Ton. Besonders im zweiten Satz will er melodische und harmonische Feinheiten spielen, die allerdings in der Open-Air-Kulisse völlig untergehen. Im abschließenden Rondeau geht''s bei allen Beteiligten leider gehörig daneben. Des Solisten und der Kammerakademie künstlerische Ambitionen in allen Ehren - für den Nikolaisaal wären sie angemessen gewesen, für freiluftiges Musizieren sind sie es leider nicht. Dieses Violinkonzert benötigt wegen seiner diffizilen, intimen Setz weise einen in sich geschlossenen Raum, keine Naturkulisse. In solcher kann sich das Klarinettenkonzert A-Dur KV 622, wieder mit vernehmbarer Verstärkung, behaupten. Sharon Kam bläst es mit großem, kräftigen, manchmal etwas aufdringlichem Ton. Ihre Stärke ist allerdings das ausdrucksintensive Singen jener Adagio-Kantilene, die in Seelentiefen zu dringen versteht. Zu Recht wird sie gefeiert. Na, und denn? Schier endlos scheint das Warten auf den Beginn des Gödeke“schen Feuerwerks, das zu den Klängen von Mozarts „Haffner-Sinfonie“ (1. Satz) zunächst viel Qualm verursacht, ehe im abgesperrten Ehrenhof die Feuerräder sich drehen, Fontänen in die Luft schießen, Höhenraketen farbenbunt zerplatzen, Böllerschüsse das Ausrufezeichen unter die 15. Saison der Musikfestspiele setzen. Gleich mehrere von diesen Satzzeichen verdient das Musenfest, das in 64 (gut besuchten bis ausverkauften) Veranstaltungen an stets dazu passenden Orten sich der Frau als Künstlerin, Muse und Mäzenin widmete. Sie wurden von einem engagierten Frauenteam - mit Andrea Palent (künstlerische Leitung) und Christina Siegfried (Dramaturgie) an der Spitze - mit viel Liebe zum Gegenstand konzipiert und realisiert. Vier Musenhöfe, an denen mit weiblicher Heiterkeit regiert und Frau Musica lustvoll gehuldigt wurde, gab es dabei zu besichtigen. Die Angebote waren nicht nur dort durchweg in sich stimmig. Selten erlebten die knapp 14 000 Besucher solch überzeugende Offerten wie in diesem Jahr. Die 90-prozentige Auslastung spricht für sich. Exquisite Sängerinnen sowie Ensembles sorgten für ein künstlerisches Niveau, das zu halten oder zu überbieten den Musikfestspielen 2006 schwer fallen dürfte. Sie verheißen uns „Wege zu Mozart“. Der erste Schritt dazu ist mit dem diesjährigen Finale bereits getan.

Peter Buske

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