Kultur: Aus Worten können Wege werden
„Hiob“ als Benefizveranstaltung in Friedenskirche
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„Hiob“ als Benefizveranstaltung in Friedenskirche Das Buch Hiob gehört zu den „schwersten“ Teilen der heiligen Schrift. Darin wird beschrieben, wie ein frommer und rechtschaffender Mann in höchste Not und Bedrängnis kommt, seine zehn Kinder, Mägde und Knechte verliert, die Pracht seiner üppigen Herden, um schließlich in Aussatz und Siechtum zu fallen. Immer lauter schallt die Frage des in Asche Sitzenden zum Himmel: Warum, was habe ich getan? Belohnt nicht Gott die Gerechten und straft die Sünder? Wo kommt mein Unglück nur her? So wenig darauf Hiobs Freunde verlässliche Antworten finden, so mag es auch denen gehen, die in ihrer Bedrängnis die anonyme Telefonseelsorge des Diakonischen Werkes Potsdam bemühen. 90 ehrenamtliche Mitarbeiter nehmen pro Jahr rund um die Uhr etwa 20000 Anrufe in der Hoffnung entgegen, dass „aus Worten Wege werden“. Am Dienstag kam in der Friedenskirche beides zusammen: Die Kleinmachnower Kantorei gab hier die letzte Vorstellung ihres neuen Stückes „Hiob“ als Benefiz zugunsten der Fern-Seelsorger. Sehr guter Besuch, viel Applaus für eine beeindruckende Aufführung der 150 Beteiligten: mehrere Chöre, ein Kammerorchester sowie zwei Solisten, einstudiert und geleitet von Antonia Braun und Bernhard Hanuschik, musikalisch betreut von Kantor Karsten Seibt. Reden vorab, Dankesworte. Im Auftrag von Sozialministerin Dagmar Ziegler lobte Staatssekretär Winfried Alber das seelsorgerische „Engagement der Mitmenschlichkeit“ im Erschrecken, „wie viele Nöte es gibt“. Gut, wenn sich das nun auch bei den Regierenden herumgesprochen hat. „Hiob“ wurde im vorigen Jahr als szenisches Oratorium nach Texten der Bibel und Ernesto Cardenals (eines nicaraguanischen „Befreiungstheologen“ mit lautem Hang zum Marxismus) geschrieben. Die Musik erdachte der Neustrelitzer Cellist Torsten Harder: Schöne gefällige Melodien modernen Zuschnitts, mit Geige, Saxophon, Klangholz und Cello, hochkantable Passagen für mehrere Chöre, alles bestens intoniert. Jakob Ullmann gab mit erstaunlichem Jung-Bariton einen gezeichneten, zerknirschten Hiob, der letztlich seinen Anteil an Schuld eingesteht, aber von der Gottesfurcht nicht lassen mag. Ihm gehörte die zweite Hälfte des Oratoriums, während seine Gemahlin (Bettina Seibt), teils Seelsorgerin, teils Xanthippe, den ersten regierte. Gespielt wurde auf einer mit Sand bestreuten Bühne am Westportal, die zahlreichen Zuschauer hatten also den Altar im Rücken. Von hier kam auch das strahlende Licht zum Finale, als Gott (durch den Chor) selbst ins aufwändige Geschehen eingreift und Hiob alles zurückgibt, was ihn an Unglück nur traf. Hiob geläutert, Ringeltanz auf der Bühne, Rosen für das Publikum. Was für ein Ende, wenn man den Anfang bedenkt: seine Kinder an der Rampe tot in Reihe, von Soldaten umringt, von Engeln beschützt. Die Personage (Ausstattung Katharina Seibt) trug weißes Kostüm, darüber verschieden-pastellene Westen, je nach szenischer Aufgabe. Hübsch. Weniger gut, da man den Kern vergaß, die merkwürdige „Wette“ zwischen Gott und seinem Widersacher. Trotzdem bemühten sich die Protagonisten in phantasievollen, oftmals „wimmelnden“ Szenen, ihre Botschaft herüberzubringen: „Friede deiner Seele, Ruhe deinem Herz. Liebe deiner Sehnsucht, Wohltat deinem Schmerz“. So versöhnlich war auch das „Onesimus“-Projekt letztes Jahr, das die Geschichte eines von Paulus getauften Sklaven erzählt, der der Legende nach Bischof wurde und den Märtyrertod durch Steinigung fand. Manche Fragen blieben an diesem Abend unbeantwortet. Woher kommt das sogenannte Böse? Selbst die Theologen rätseln noch heute am biblischen Hiob. Vielleicht war die Idee, die Bibel mit Texten von Ernesto Cardenal zu vermischen, doch nicht so gut. Dieser „Hiob“ präsentierte sich zuerst oratorisch, später ästhetisch nach Musical-Art – das macht die Wege zum Himmel nicht leichter. Gerold Paul
Gerold Paul
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