Kultur: Ausdrucksstark und lebendig Weihnachtsoratorium
in der Erlöserkirche
Stand:
An Aufführungen der ersten drei Kantaten von Johann Sebastian Bachs klangfestlichem „Weihnachtsoratorium“ BWV 248 herrscht kein Mangel. Wohl auch deshalb, weil sie größtenteils in der Vorweihnachtszeit erklingen und von der Geburt Jesu erzählen. Die nachfolgenden drei Kantaten (Nr. 4 bis 6) erfreuten dagegen zu Neujahr, am Sonntag nach Neujahr, zu Epiphanias. Sie berichten von der Beschneidung des acht Tage alten Jesuskindes, von Herodes‘ Mordauftrag und vom Krippenbesuch der Heiligen drei Könige, setzen größtenteils auf Erbauung, innere Einkehr. Drei kontemplative Kapitel gilt es dabei aufzublättern. Sollen ihre Botschaften nicht in gepflegter Langeweile enden, sind von allen Beteiligten statt Routine ein hohes Maß an Lebendigkeit und gestalterischer Intensität abverlangt. Nun, daran herrschte bei der Deutung durch die Potsdamer Kantorei, das klein besetzte Neue Kammerorchester Potsdam und ein exzellent besetztes Solistenquartett unter Leitung von Ud Joffe am Samstag in der überfüllten Erlöserkirche wahrlich kein Mangel.
Wie alle Jahre wieder lässt der Stern von Bethlehem sein mildes Licht aus der Kuppel des Altarraumes leuchten, verbreitet sich eine pastorale Stimmung. So recht dazu angetan, dem homophonen Eingangssatz „Fallt mit Danken, fallt mit Loben“ der F-Dur-Tonart mit ihrer „Gefälligkeit und Ruhe“ (Schubart) den optischen Rahmen zu geben. Frisch und klangschlank tönt es aus klaren und intonationssicheren Kehlen, die auch später den Choralbetrachtungen ein dienlicher Anwalt sind. Es wird präzise artikuliert, genau phrasiert. Jedes Wort, jede Silbe ist zu verstehen und mit sinnreichem Ausdruck aufgeladen. Unaufgeregt, leicht und lieblich, geradezu beschwingt wie ein einheitlich wogendes Stimmenmeer tönt die Freude. Doch auch hier hat Bach wieder einmal bei sich geklaut. Vornehm ausgedrückt: sich des damals weit verbreiteten Parodieverfahrens bedient.
So entstammt jener Chor der Glückwunschkantate für den elften Geburtstag des Kurprinzen von Sachsen. Auch die wenig später folgende „Echo“-Arie des Soprans „Flößt, mein Heiland“ basiert musikalisch auf der Kantate „Herkules auf dem Scheideweg“. In ihr befragt der junge Held das Echo, ob er auf dem rechten Wege sei. Es antwortet mit „Ja“- und „Nein“-Rufen. Hier nun ist’s der imaginäre Knabe Jesus, der seiner ihn fragenden Mutter entsprechend antwortet. Innerlich sehr beteiligt bringt Jana Büchner nicht nur an dieser Stelle ihre Empfindungen zum Ausdruck. Sie verfügt über einen lyrischen, leicht und locker jubilierenden Koloratursopran: sicher im Ansatz, mit strahlendem Höhenglanz. Sehr bewegend gestaltet sie die Duette mit Bassbariton Tobias Berndt, der prononciert und kraftvoll auch seine weiteren Arien überzeugend singt. Ausgesprochen spannend, mit legendärer Ausdrucksintensität eines Peter Schreier, trägt Tenor André Khamasmie die Rezitative vor, glänzt in den Arien mit staunenswerter Koloraturensicherheit und Höhenleichtigkeit. Dramatisches Gespür beweist auch die Altistin Regina Jakobi, die aus ihrer inneren Anteilnahme keinen Kehlenhehl macht. Die instrumentalen Arienbegleitungen (Violine, Oboen, Fagott) und das Continuo (Cello, Truhenorgel) sorgen stets für ein lebendiges, gefühlsintensives und zügiges Durchforsten der polyphonen Strukturen. Beifall brandet anhaltend. Peter Buske
Peter Buske
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