Kultur: Ausschwingend
Singakademie sang Weihnachtsoratorium
Stand:
Advent ohne Weihnachtsoratorium und Weihnachtsliedersingen? Undenkbar. Bachs frohmachende Vertonung des weihnachtlichen Geschehens von Bethlehem und die ungezählten schlichten und kunstvollen Advents- und Weihnachtslieder erfreuen sich ungebrochener Popularität. Die Singakademie Potsdam versuchte wiederum Oratorium und Liedersingen an einem Konzertabend zu verbinden. Aber solch ein Angebot ist nicht frei von Beliebigkeit und hat sogar musikalischen Konsumcharakter. Das Weihnachtsoratorium bedarf keines Vorprogramms. In ihm ist alles vorhanden, was Weihnachten uns verkünden möchte.
Und doch erlebten die Zuhörer am Sonntag im Nikolaisaal musikalisch viele berührende Momente. Besonders der Jugendkammerchor der Singakademie unter der Leitung von Astrid Raab trug zu diesem Erlebnis bei. Die Sängerinnen und Sänger, so zwischen 17 und 19 Jahre alt, vermochten mit Singfreude, Frische, sauberer Intonation und Flexibilität sehr für sich einzunehmen. Die temperamentvolle Musikpädagogin fordert die Choristen immer wieder zu Höchstleistungen heraus. Konzentriert in Klang und Dynamik. wissen sie das halbstündige Programm zu gestalten, in dem Weihnachtslieder aus Lettland, Polen, Spanien, von John Rutter, Gustav Holst zu finden waren, natürlich auch die alten deutschen Chorsätze „Vom Himmel hoch, o Englein kommt“ oder „Es ist ein Ros‘ entsprungen“. Von besonderer Innigkeit und Textausprägung wurde Franz von Assisis Gebet „Gott, mache mich zu deinem Friedenskünder“ in der Vertonung von Allen Pote gesungen. Eine bessere Weihnachtserkenntnis kann es wohl kaum geben. Die Zuhörer im gut besuchten Nikolaisaal waren vom Jugendkammerchor begeistert. Mit Recht.
Nach der Pause dann die Kantaten 1 bis 3 aus Johann Sebastian Bachs „Weihnachtsoratorium“. Das Werk ist eine wunderbare Mischung aus Freude, Jubel und Überschwang, gepaart mit stillem Glück und Nachdenklichkeit. Der Sinfonische Chor der Singakademie sowie das Neue Kammerorchester Potsdam haben unter der Leitung des Dirigenten Edgar Hykel versucht, all diesen inhaltlichen und musikalischen Facetten gerecht zu werden. Bereits der berühmte Eingangschor „Jauchzet, frohlocket, auf preiset die Tage“, der eine mitreißende, menschliche Fröhlichkeit aufweist, wurde von den rund 120 Sängerinnen und Sängern, ein paar Männerstimmen mehr täten einem ausbalancierten Chorklang gut, mit organisch und frei ausschwingendem Musizieren geboten. Das setzte sich mit den in zügigen Tempi und ausdrucksstark gesungenen Chorälen bis zum Schlusschor „Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen“ fort, unterstützt von dem adäquaten Musizier- und Begleitstil des Neuen Kammerorchesters mit seinen exzellenten Solisten und Continuospielern.
Vom Solistenquartett überzeugten vor allem die Damen: wie immer Christine Wolff mit ihrem klaren „engelsgleichen“ Sopran, Carolin Masurs sehr warme Gestaltung der Alt-Arien. Besonders „Schließe mein Herze, dies selige Wunder“ wurde zu einem Höhepunkt des Konzertabends. Der Tenor Sibrand Basa sang die Evangelistenpartie mit solidem Erzählstil, jedoch ohne Höhepunkte. In die virtuose Hirtenarie vermochte er aber mühelos, Gestaltungsnuancen einzubeziehen. Haakon Schaub gab den Arien und Rezitativen zu viel aufgepumpte Kraft, so dass seinem Bass viel an Stimmschönheit verloren ging. Erst bei dem Duett mit dem Sopran „Herr dein Mitleid, dein Erbarmen“ fand er zu einem subtilen Singen. Der Abend ging mit viel Beifall des Publikums zu Ende. Klaus Büstrin
Klaus BüstrinD
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