Kultur: Außergewöhniche Inszenierung. Allen Respekt
William Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ in einer Liebhaber-Aufführung im Pfarrhausgarten Bornstedt
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William Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ in einer Liebhaber-Aufführung im Pfarrhausgarten Bornstedt Die Alten haben es gewusst: Wenn es zur Unzeit stürmt und schneit, ist irgendwo die Welt nicht in Ordnung. Meist liegt es am Zwist der Menschen, aber auch die Geister können alles verwirbeln, wie sommers 1594, als Überschwemmungen und Kälte die britischen Inseln heimsuchten. In dieser Zeit entstand auch William Shakespeares geisterhaft-schöner „Sommernachtstraum“, darin sich Oberon als Fürst der Schattengeister mit seiner Gattin, der Amazonenkönigin Titania, um einen „indischen Edelknaben“ zankt. Mit verheerenden Folgen für die Erde: Die Jahreszeiten wandeln sich, kein Baum trägt die gewohnte Frucht. Auch im Menschenreich gerät alles durcheinander, das Kind wendet sich gegen den Vater, der Edle gegen seinen Fürsten – für die Alten war alles geistig, beseelt. Mit einer luftig-leichten, elfengleichen Inszenierung dieses Stückes in der ungekürzten Schlegel-Übersetzung erfüllte sich Pfarrerin i.R. Christa Schröder im Pfarrgarten Bornstedt einen Lebenstraum. Nach einjähriger Vorbereitungszeit inszenierte sie mit einer 30-köpfigen Truppe – in Alter, Herkunft und Beruf höchst verschieden – in drei Monaten was der Zimmermann Squenz (Hagen Wirsing) im Prolog der Pyramus-und-Thisbe-Szene zum Athener-Fürsten Theseus (Harald Pott) und der ihr anverlobten Amazonin Hippolyta (Wiebke Theuer) sagt: „Zu euer Lust allein sind wir nicht hier“. Wozu dann? Zunächst war es eine helle Freude, die überkreuzten Liebeswirren zweier junger Pärchen unter Baum- und Strauchwuchs anzusehen: Hermia (ganz expressiv Gunda Züllich) liebt Lysander (Dan Züllich), soll aber auf Vaters Wunsch Demetrius (Michael Peter) freien, welcher seinerseits von Helena (Mandy Promok) verfolgt wird, die ihren Ex-Geliebten zurückgewinnen will. Die Flucht des ersten Paares in Oberons Wald zum Behuf des Hochzeitens wäre auch gut gegangen, wenn nicht der herrlich gelenkige Puck (in grüner Körperbemalung ganz toll Fabian Kühne) mit seinem Wunderkraut den falschen Jüngling verzaubert hätte. Zum Gaudi des reichlich erschienenen Publikums lieben nun beide Kerle eifersüchtig Helenen (da wird zu viel gegrapscht), doch nach wilden Verfolgungen und Kampfszenen durch den illuminierten Pfarrgarten schlafen alle Viere beieinander ein. Oberon, dessen freie Brust sehr richtig sprossende Pflanzen zeigt, bewirkt, dass Titania den ersten liebt, dessen sie ansichtig wird. Es ist, in einer fantastischen Leistung von Tobias Bargmann, einer der Handwerker, die im Wald das Thisbe-Stück erproben, der in einen Esel verwandelte Weber Zettel. Doch am Schluss des dreistündigen Abends fügt sich, zur Musik von Björn Rabenstein und der Büchner-Brass-Band aus nächtlich dunklem Grün, oben wie unten alles zusammen, jeder bekommt seinen Partner der Liebe. Selbst Oberon ist mit Titania versöhnt, denn sie gibt nach. Bleibt die stets problematische Aufführung der Handwerker am Schluss, welche die Regisseuse zu denunzieren sich weitgehend enthielt. Diese Szene soll nach dem klugen Programmheft den Schlüssel für das Ganze liefern. Ob die Inszenierung dies auch eingelöst hat, bleibt freilich offen. Christa Schröder kam es darauf an, der (in Theseus verkörperten) „bloßen“ Vernunft die Macht des Geistigen entgegenzusetzen, wie die alerte und textsichere Truppe (kein Zaudern oder Zagen) sich überhaupt alle Mühe gab, ihr putzmunteres Spiel um den kindlichen Elfenreigen und die mobilen Kräfte des Mondes parabolisch (und episch) zu bedienen. Ob „Hamlet“ oder „Sommernachtstraum“: Das von einem Hofstaat dergestalt Geschaute will szenisch Folgen haben, was tiefe Kenntnis der dunklen Pyramus-Thisbe-Geschichte voraussetzt. Genau das ging nicht auf, gleichwohl Theseus dem Epilog der klugen Handwerker nicht grundlos ausweicht. Warum wohl? Gefragt haben die spielbegabten Amateure viel, nachgedacht mit Pascal und Buber auch, hier aber blieb man, wie so oft bei den Finals, hinter Shakespeare zurück. Dennoch kann sich diese außergewöhnliche Inszenierung sehen lassen. Gerold Paul
Gerold Paul
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