Von Dirk Becker: Bach in 14 Akten
Am Samstag eröffnet der neue Konzertzyklus „Bach in Sanssouci“ unter der Regie von Björn O. Wiede
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Diese Art von Werbung mag bei manchen nur ein Kopfschütteln auslösen. Ein einziges Faltblatt nur, zwar farbig gestaltet, aber das für einen ganzjährigen Konzertzyklus? Man kann diese (Nicht-)Werbung, auch wenn sie oft finanzielle Gründe hat, aber auch als eine Form von Selbstbewusstsein verstehen.
Björn O. Wiede nickt nur kurz, als man ihm die Episode von der persönlichen Entdeckung seiner neuen Reihe „Bach in Sanssouci“ berichtet. Bei einem Konzertbesuch Anfang Februar in der Friedenskirche war man mehr im Vorbeigehen auf das Faltblatt gestoßen. Die Aufschrift „Konzertzyklus 2011“ war es, die einen zunächst stutzen ließ. Denn „Bach in Sanssouci“ war ja nicht neu. In den vergangenen zwei Jahren hatte Björn O. Wiede, unter anderem Kantor an der Nikolaikirche, Gründer und künstlerischer Leiter des Ensembles Exxential Bach und Intendant der Bachtage Potsdam, immer am Geburtstagswochenende von Johann Sebastian Bach, dem 21. März, ein umfangreiches Konzertprogramm gestaltet. In diesem Jahr nun wird daraus ein ganzjähriger Konzertzyklus, der am Samstag mit den Bachschen Violinenkonzerten in a-Moll, D-Dur und dem Doppelkonzert in d-Moll im Schlosstheater im Neuen Palais seinen Auftakt erfährt.
Insgesamt 14 Konzerte wird es in diesem Jahr unter dem Motto „Bach in Sanssouci“ geben. Die Idee hinter der Reihe sei es, so Wiede, Konzerte, die zum Teil sehr bekannt sind, aber nicht so häufig aufgeführt werden, wie beispielsweise die Violinenkonzerte von Johann Sebastian Bach, über einen längeren Zeitraum und auch mit verschiedenen Solisten in Potsdam anzubieten. Und nicht alles, was unter diesem Zyklus zu erleben sein wird, ist von der Konzeption her neu. So sind die Konzerte in der Friedenskirche und die Aufführungen zur Osterzeit feste Größen im Programm von Exxential Bach. Auch das Eröffnungs- und das Abschlusskonzert der Potsdamer Bachtage Anfang September haben längst einen Namen, der für sich stehen kann. Hinzu kommt, dass Björn O. Wiede Wert darauf legt, dass die Reihe „Bach in Sanssouci“ nicht einfach nur als eine Erweiterung der nunmehr schon zehnjährigen Bachtage zu verstehen sind. Denn in dem neuen Konzertzyklus sollen nicht allein Werke von Johann Sebastian Bach, sondern auch von dessen Sohn Carl Philipp Emanuel gespielt werden.
Für Björn O. Wiede gehört Bach zur Familie. Im Alter von vier Jahren hat er die Matthäus-Passion zum ersten Mal erlebt, ein paar Jahre später hat er dann selbst an einer Aufführung mitgewirkt als Sängerknabe im Chor. Wiede sang im Dresdner Kreuzchor, besuchte die Spezialschule für Musik und begann im Alter von 17 Jahren seine musikalischen Studien für Violoncello und Klavier, Cembalo und Dirigieren in Dresden, die er später in Hamburg und München fortsetzte. Seit 1994 ist Björn O. Wiede Kantor an der Nikolaikirche. Im Jahr 2001 organisierte er dann zum ersten Mal die Bachtage Potsdam, fünf Jahre später kam es zur Gründung von Exxential Bach, ein Jahr später dann wurde die Brandenburgische Bach-Gesellschaft ins Leben gerufen.
Björn O. Wiedes musikalisches Schaffen in Potsdam liest sich wie ein ständiges Streben für mehr Anerkennung von Bach in dieser Stadt. Doch sieht Wiede hier weniger seine Initiative im Vordergrund, sondern vor allem die Weiterführung einer Tradition von Bachpflege, die laut Wiede schon 150 Jahre weit zurückreicht. Und trotzdem wird er regelmäßig mit der Frage konfrontiert, was denn Johann Sebastian Bach, bitte schön, mit Potsdam zu tun habe.
Es braucht seitens Björn O. Wiedes keine weiteren Erklärungen, es wird einem sofort klar, dass solche Fragen nur dann gestellt werden, wenn es um Fördergelder aus öffentlicher Hand geht. Trotzdem kann Björn O. Wiede ein leichtes, resigniertes Kopfschütteln nicht unterbinden. Denn das Johann Sebastian Bach im Mai 1747 in Potsdam mit Friedrich II. zusammentraf und dass diese Begegnungen und einige Auftritte vor Ort ihn zu seiner Komposition „Das Musikalische Opfer“ inspirierten, sollte in solchen Runden eigentlich nicht mehr zur Debatte stehen. „Würde man heute Bachs Leben an bestimmten, für sein musikalisches Schaffen wichtigen Orten festmachen wollen, so würde auch Potsdam, trotz des kurzen Aufenthaltes, mit Sicherheit dazugehören“, so Wiede.
Bei anderen scheint Wiede mit seinem Programm mittlerweile aber offene Türen einzurennen. Das beruhigt ihn, gibt ihm eine gewisse Sicherheit für den neuen Konzertzyklus und auch das entsprechende Selbstbewusstsein in Sachen spartanischer Werbung.
„Wir haben uns in den vergangenen Jahren einen gewissen Zuspruch bei den Zuschauern erspielt“, sagt Wiede mit stolzer Bescheidenheit. Zuschauer, die interessiert sind an Konzerten mit authentischer Aufführungspraxis. „Rein professioneller barocker Aufführungspraxis“, wie Björn O. Wiede es nennt. Hinzu kommt das Zusammenwachsen von Exxential Bach, das sich auch im Klang und dem Gestaltungswillen des Ensembles widerspiegelt. Und dann sind da auch noch andere Gründe, die beim ersten Hören wie Floskeln klingen, dann aber doch wieder dieses gewisse Selbstbewusstsein tragen
„Wir haben uns sehr wohl gefühlt auf der Bühne im Schlosstheater“, sagt Björn O. Wiede über die Wochenendkonzerte „Bach in Sanssouci“ in den vergangenen zwei Jahren. „Gleichzeitig habe ich den Eindruck, dass die Musik, nicht nur von Johann Sebastian, sondern auch von seinem Sohn Carl Philipp Emanuel dort sehr gut aufgehoben ist“, fügt er noch hinzu. Und dass er den ganzen Bach in Potsdam aufführen möchte. Ein Projekt, das die kommenden Jahre in Anspruch nehmen wird. Denn wenn Wiede vom „ganzen Bach“ spricht, meint er nicht nur Johann Sebastian, sondern auch Carl Philipp Emanuel. Ein Unternehmen, das den langen Atem braucht. Aber den hat Björn O. Wiede mit seinem Engagement für Bach in Potsdam schon längst bewiesen.
Auftaktkonzert der Reihe „Bach in Sanssouci 2011“ am Samstag, 26. März, 20 Uhr im Schlosstheater im Neuen Palais. Weitere Informationen unter
www.bach-in-sanssouci.de
Dirk Becker
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