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Kultur: Bachtage II

Der Pianist Gianluca Luisi im Palmensaal

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Bewusst oder unbewusst, es war eine ungewöhnliche Dramaturgie, die Gianluca Luisi für seinen Auftritt am Samstag bei den Bachtagen gewählt hatte. Auf dem Programm stand die Fortsetzung seiner im vergangenen Jahr begonnenen Aufführung des „Wohltemperierten Klaviers“ von Johann Sebastian Bach. Nach dem ersten nun der zweite Teil von jeweils 24 Präludien und Fugen, die Bach über alle Dur- und Moll-Tonarten komponiert hat. War Gianluca Luisi im vergangenen Jahr im IHK-Forum zu erleben, trat er in diesem im Palmensaal der Orangerie im Neuen Garten auf. Und schon bei den ersten Akkorden des C-Dur-Präludiums wurde einem schmerzhaft klar, dass die Akustik in diesem Raum dem Klavier nicht gerade zuträglich ist. Fast schon überpräsent der Klang des Bechstein-Flügels, gelegentlich knallhart die Töne, die einem förmlich in die Ohren stachen. Es brauchte Zeit, bis sich Luisi und die Zuhörer diesen Gegebenheit angepasst hatten.

Gianluca Luisi spielt das „Wohltemperierte Klavier“ auswendig, was für die intensive Auseinandersetzung des Italieners mit dem Bachschen Meisterwerk spricht. Trotzdem birgt ein Konzert die Gefahr, dass die Präludien und Fugen schnell zum bloßen Abarbeiten der einzelnen Tonarten verkommen. Luisi beugte dem vor, indem er sich anfangs zurückhielt, nicht gleich auf den schnell verpuffenden Effekt setzte, sich fast schon meditativ der Musik hingab. Der Blick, wenn die Augen nicht geschlossen, nach oben gerichtet, schien er auszuloten, sich vorzutasten. Die Präludien spielte er so fast ausschließlich mit einer gewissen Zurückhaltung, die Fugen wie ein Aufatmen, gar wie ein Befreiungsschlag wie in Cis-Dur. Gewöhnungsbedürftig der intensive Pedalgebrauch und manch Eigenwilligkeit in Luisis Lesart, gewann sein Spiel immer mehr an Lebhaftigkeit und fand seinen Höhenpunkt in e-Moll, F-Dur und f-moll. Hier atmeten die Präludien, ließ Luisi in den Fugen dem Tänzerischen freien Lauf. Danach wieder ein langsamer Rückzug ins Kontemplative, gelegentlich durchbrochen von mancher Fugenrasanz. Am Ende ein sichtlich erschöpfter Gianluca Luisi und ein Publikum, dass mit zahlreichen „Bravo“-Rufen dankte. Dirk Becker

Dirk Becker

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