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Kultur: Ballerino auf Klangspitze

Sergio Azzolini beim Schlosskonzert der Kammerakademie Potsdam

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Kindern den Weg zur Musik ebnen helfen, verlangt auch nach schnödem Mammon. Diesen als Spenden einsammeln zu helfen, hat sich der „Klingende Advent“, eine Gemeinschaftsaktion zwischen Großem Waisenhaus und Konzertveranstaltern, zur Aufgabe gestellt. Die Besucher der beiden Schlosskonzerte am Wochenende im Neuen Palais waren dazu vom Konzertmeister der Kammerakademie Peter Rainer charmant aufgefordert. Bedankt wurden die hoffentlich zahlreichen Donatoren mit einem Konzert der klanglichen Extraklasse.

„Wege zu Haydn“ nannte sich die Zusammenstellung ausgesprochen geistvoller Musik, die von den Instrumentalisten auf historischen Instrumenten und in der Annäherung an die dafür erforderliche Spielweise dargeboten wurde. Unter der Anleitung von Fagottist Sergio Azzolini, der in seiner früheren Amtszeit als künstlerischer Leiter des Ensembles diesem die dafür notwendige Technik antrainiert hatte, kredenzte man quasi einen trefflich gemixten Cocktail reizvollster Klangfarben.

Zweite Überraschung dieses ausverkauften Abends: Erstmalig spielte Maestro Azzolini die kürzlich vollendete Kopie eines Barockfagotts, das 1719 in einer Nürnberger Werkstatt gebaut wurde. Sein Klang ist im Vergleich zu heute gebräuchlichen Instrumenten eingedunkelter, wesentlich flexibler und ausdrucksintensiver. Für die Musik des empfindsamen Zeitalters also bestens geeignet. Nicht nur in Solokonzerten, sondern auch in der Continuogruppe, wo es zusammen mit Cembalo (Davide Pozzi), Laute (Diego Cantalupi) und Kontrabass (Tobias Lampelzammer) für originelle Klangmischungen sorgt.

Zupackendes Musizieren ist bereits bei den ersten Takten der D-Dur-Sinfonie Nr. 28 des preußischen Kammerkompositeurs Luigi Boccherini (1743-1805) angesagt. Ganz schlank gehalten ist der Ensembleklang, natürlich vibratolos. Je zwei Barockoboen (Giovanni de Angeli, Jan Böttcher) und Naturhörner (Christian Dallmann, Christian Müller) sorgen für weitere Originalklanganmutungen. Der spiritus rector Sergio Azzolini erweist sich erneut als ein totales Temperamentsbündel. Körpersprachlich ist er wie stets auf dem Sprung, „tanzt“ seine Parts als Continuist und Solist gleich einem Ballerino auf Klangspitze.

Dabei setzt er generell auf ein kontrastbetontes, von Leidenschaft durchglühtes Spiel. Die Musiker folgen seinen Intentionen blindlings. So entsteht gemeinsam eine faszinierende, analytisch geprägte Sicht auf manche zu Unrecht vergessene Werke. Wie jene Fagottkonzerte von Johann Melchior Molter (1696-1765) und Johann Wilhelm Hertel (1727-1789), in denen der Solist mit dunkel timbriertem, tänzerisch beschwingtem Ton begeistert. Da trifft affektreiches Barock auf sturm- und drangbewegte Vorklassik, ist rhetorisch alles vom Feinsten, werden federnd und spritzig die schnellen Ecksätze musiziert, elegisch bis melancholisch die langsamen Mittelsätze ausgedeutet. Im Stile einer launigen und lauten Tafelmusik spielen Azzolini und Christoph Knitt die Sinfonia für zwei Fagotte und Streicher. Das im Fundus der Berliner Staatsbibliothek entdeckte und Händel zugeschriebene c-Moll-Konzert für Oboe, Fagott und Streicher erweist sich als ein streitsüchtiges Rededuell, das in Harmonie endet.

Zum Abschluss dann Haydns sinfonisches Erstlingswerk in D-Dur, das sich wirkungsvoll mit dem berühmten Mannheimer Orchestercrescendo eröffnet. Es federt in allen Instrumentengruppen, birst vor Witz und ist ein Spiel der vergnüglichsten Art. Der Beifall brandet.

Peter Buske

Peter Buske

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