zum Hauptinhalt

Kultur: Ballett auf Tasten

Klassiker auf Landpartie mit Meisterpianist Olli Mustonen in Kloster Zinna

Stand:

Vertrauen ist gut, Kontrolle besser. Ein Wahlspruch, der nicht erst seit sozialistischen Zeiten für Furore sorgte, sondern dem auch Friedrich II. huldigte. Er zeigte großes Interesse an Kloster Zinna, gab 70.000 Taler zum Aufbau des Ortes, ließ davon 150 Häuser bauen, siedelte Weber an und überwachte die Verwendung seines Geldes persönlich. Das war 1764. Hundert Jahre später errichten ihm die dankbaren Bürger ein Denkmal auf dem Markt. Es zu besichtigen gehört neben Kutschfahrten durch Wald und Heide oder einer Schnapsverkostung in der Klosterbrennerei zu den Beigaben der „Klassiker auf Landpartie“, mit denen die Brandenburgischen Sommerkonzerte am Sonntag zur Begegnung mit dem finnischen Meisterpianisten Olli Mustonen in die Klosterkirche einluden.

Im Altarraum steht ein Bechstein-Flügel. Den linksseitig Sitzenden ist die Sicht auf Tastatur und Fingerkünste des Pianisten garantiert. Mit einem Stapel Noten unterm Arm betritt er die Szene, was bedeutet, dass er sein Programm vom Blatt spielen wird. Swjatoslaw Richter hielt es einst ebenso. Es gilt also keiner brillanten Gedächtnisleistung zu huldigen, sondern einer knapp zweistündigen Lehrstunde phänomenalster Gestaltungskunst beizuwohnen. Das Notenablesen schafft ihm dazu nötige Sicherheit.

Zu den festen Bestandteilen jedes Klavierunterrichts gehören Schumanns „Album für die Jugend“ und Bachs „Dreistimmige Inventionen“ BWV 787-801 aus dem „Clavierbüchlein für Wilhelm Friedemann Bach“. Dabei lässt uns Olli Mustonen die fünfzehn Übungsstücke als ein rubatoreiches Kompendium der Leidenschaften erleben. Keinen Moment steigt er aus der Musik aus. Spannungsaufgeheizt geht es zu, abrupt wechseln die Stimmungen. Zur bewundernswerten Ausdrucksnuancierung gehört, dass Olli Mustonens Finger sich gleichsam wie Landeklappen eines Flugzeugs aus der Waagerechten in die Senkrechte verstellen. Plötzlich wird der Klang hämmernder, fordernder und direkter. Nicht minder faszinierend, wie sich in Pausen die hochgeschnellten Arme langsam, ausdrucksvoll und pirouettengleich auf die Tastatur hernieder senken. Eine elegante Luftgymnastik – sozusagen Ballett auf Tasten! Schlussakkorde lässt der Klangmagier lange nachschwingen, was für nahtlose Übergänge sorgt. Bach, der erste Romantiker der Musikgeschichte?!

Gleichfalls hellwachen Sinns durchforscht er der Romantik geheimnisvolle Gefilde. Auszügen aus Schumanns „Album für die Jugend“ op. 68 treibt er alle pädagogischen Ambitionen aus, gestaltet sie stattdessen akzentuiert und mit klarem Anschlag zu Charakterminiaturen. Und auch für das Spätwerk „Gesänge der Frühe“ op. 133 setzt Mustonen auf leidenschaftszerrissene Klanggesten, brillantes Laufwerk, nachsinnende Betrachtungen. Zwischen kantablem Kantele-Klang (zitterähnliches Zupfinstrument Instrument), geradezu rabiater Motorik und alptraumhafter Groteske pendelt des Pianisten Klaviersonate „Jehkin Iivana“. Ob deren perkussive Exzesse ihr Vorbild in Sergej Prokofjews A-Dur-Sonate op. 82 hatten?! Kraftdonnernd, mit schneidender Schärfe im Diskant und hingewuchteten Bässen, dann wieder nachsinnend bis elegant bringt er Prokofjews angestaute Erregungen und Visionen zur Entladung. Konturenklar, quasi ohne Nebel, reicht er auch ein Prélude aus Meisterhand als anhaltend erklatschter Zugabe dar.

Auch sie gespielt vom Notenblatt. Vertrauen ist gut Peter Buske

Peter Buske

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })