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Kultur: Bärlachs letzter Fall

Die Theatertruppe „Legato“ spielte ein Stück nach Dürrenmatts „Der Richter und sein Henker“

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Krimizeit mit der Theatertruppe „Legato“ gab es dieser Tage in der fabrik. Allerdings wurde auf der großen Off-Bühne kein X-beliebiger Fall behandelt, sondern einer mit Tiefgang und Hintergrund. Kein Geringerer als der Schweizer Autor Friedrich Dürrenmatt gab dem jungen Team mit seiner Erzählung „Der Richter und sein Henker“ die Vorlage für einen umjubelten Abend, worin zuerst alles unklar, dann alles so deutlich ist, dass man sich wundert, warum man in „Bissige Hunde“ auf die einzige Lösung nicht selber kam, der Titel sagt es doch an.

Ältere erinnern sich vielleicht noch der unglaublichen Bewunderung für jede seiner literarischen Äußerungen, als Text, im Rundfunk, auf der Bühne. Damals war Dürrenmatt als Gesellschaftskritiker und Kulturverteidiger immer wichtig, eine europäische Instanz. Heute ist er ein Schriftsteller unter vielen, gut, sich seiner erinnert zu haben. Auch wenn das Programmheft nicht verrät, ob die acht Spieler ihre freie dramatische Vorlage selbst geschrieben haben und die Einspielung romantischer Klaviermusik unbenannt blieb, fühlt sich „Legato“ dem Wort nach an Dürrenmatt gebunden.

Es könnte freilich für einen Sechser mehr sein. Dürrenmatt hatte mit seinem Text einen Politkrimi auf höchster Ebene geschrieben. Ein Polizist ist ermordet worden. Der todkranke Kommissär Bärlach (Silas Mücke) soll nun mit seinem Gehilfen Tchantz (Jan Glogau) aufklären, was im Hause von Gastmann (Julian Mücke) geschah, aber nicht nur sein Vorgesetzter Lutz (Tilman Gegenbauer) ist dagegen, auch die dubiose Figur eines ranghohen Regierungsbeamten (Antonia Christl) rät, das heiße Eisen beiseite zu legen, Berner Finanzkreise seien beteiligt, sogar „eine ausländische Macht“. Bärlach ermittelt trotzdem seinen letzten Fall, er kennt die Hintergründe wie auch den Täter, sein Problem ist nur, dass er nichts beweisen kann, wie bei der alten Wette mit Gastmann vor 40 Jahren in Istanbul: Dieser werde vor den Augen des Kommissärs einen Mord desselben Kalibers begehen. Ist Gastmann, dessen Anfangsbuchstaben ein Spot so groß auf die Spielfläche malte, nun der Mörder? Der Kommissär und sein Adlat visitieren das Umfeld dieses Verbrechens, befragen den Schriftsteller Florian Hesselbarth, kriechen über den hübsch staffierten Friedhof, rollen im selbst gebastelten Mercedes durch den Off, alles sehr hübsch und langsam, bis (warum im Hintergrund?) herauskommt, wie es geschah, und durch wen.

Sollte „Legato“ diese in Teilen richtig spannende Inszenierung öfter spielen, wäre die Preisgabe der Lösung nur Spielverderberei, Dürrenmatt lesen heute wohl nur wenige. Klar bleibt allerdings, dass sowohl Bärlach als auch Tschantz auch auf der Bühne ihr doppeltes Spiel zeigen und auch verbergen müssten, darauf bezieht sich des Autors Titel. „Bissige Hunde“ greift nur ein Detail aus der Motivkette heraus, etwas kryptisch vielleicht.

Sehr gefällig und praktisch ist das Bühnenbild: Der kommissarische Schreibtisch vorn, das Auto in Bewegung, es werden rasch Grabsteine aufgebaut, man arbeitet mit großen Gängen. Intensiver könnten die Figurenbeziehungen sein, etwas pressiert Silas Mücke, die Nebenrollen blass, sprachlich ließe sich manche Sentenz noch erheblich vergrößern. Wie sagte der Autor? „Als Dramatiker bin ich ein unvermeidliches Missverständnis“. Trotzdem hat das Publikum einen gut gebauten Krimi gesehen. Schaut, wo sich noch mehr Spannung erzeugen lässt, wo noch mehr Dürrenmatt ist. Gerold Paul

Gerold Paul

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