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Kultur: Barmherzig Über die heiliggesprochene Elisabeth von Thüringen

Gekrönte Häupter sind heute auch nicht mehr das, was sie mal waren. Längst haben sich andere ihrer Kronen bemächtigt.

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Gekrönte Häupter sind heute auch nicht mehr das, was sie mal waren. Längst haben sich andere ihrer Kronen bemächtigt. Würde sich ein Bankchef oder ein Spitzenpolitiker seines Reichtums entschlagen, um ihn ganz selbstlos Hartz-4-Empfängern zu schenken oder ihnen gar die Füße waschen, wäre das dem „modernen“ Denken nicht nur befremdlich, sondern auch unangenehm. So aber geschah es vor etwa achthundert Jahren der ungarischen Königstochter Elisabeth: Als europäischer Hochadel geboren, fast allen Herrscherhäusern des Kontinentes verwandt, legte sie nach dem frühen Tod (1227) ihres Gatten Ludwig IV. Krone und „Ämter“ nieder, um sich in Keuschheit und Armut ganz der Charitas zu widmen, der Barmherzigkeit in Christo.

Ob nun Heiligen-Vita oder nicht, jedes Menschenleben ist exemplarisch, und lernen kann man von allem. Ganz in diesem Sinne widmete sich der jüngste „arche“-Abend dem 800. Geburtstag der thüringischen Schutzpatronin. Das passe auch gut zur derzeitigen Friedensdekade, fand „Steuermann“ Rainer Roczen, ihr Motto „andere achten“ habe ja auch Elisabeth gelebt. Referent Stefan Hansch aus Magdeburg zog allerdings ein bisschen die Bremse: Vieles von dem, was man damals direkt nahm, lasse sich heute „so“ nicht mehr nachvollziehen, zum Beispiel als Weib „Gehorsam zu lernen“. Er gliederte seinen ruhigen Vortrag in einen biografischen und einen „angewandten“ Teil, letzterer trug einige Elisabeth-Legenden mit dem ausdrücklichen Wunsch vor, „es ihr nachzutun“.

Elisabeth, 1207 als Tochter des Königs Andreas II. auf der Burg Sárospatak in Ungarn (andere nennen Preßburg) geboren, sprach schon als Kind dem Gebet eifrig zu, wollte mit ihren Kameraden „nur eine Runde für die Welt tanzen“, nicht mehr. Seit 1211 lebte sie am Hofe des Landgrafen Hermann I. von Thüringen auf der Wartburg, neben Ungarn damals ein mächtiges Reich. Obwohl als „politische Hochzeit“ schon in ihrem ersten Lebensjahr eingefädelt, heiratete sie Hermanns Sohn Ludwig 1221 zu Eisenach doch in Liebe. Kurz vor der Geburt ihres dritten Kindes starb der Gatte auf dem Weg zum 5. Kreuzzug in Süditalien an Typus. Ihr Oheim, der Bamberger Bischof Eckbert, drängte sie, eine der zehn mächtigsten Frauen Europas, den Hohenstauffer Friedrich II. zu heiraten, doch sie gehorchte ihrem Gelübde, nach dem Tode Ludwig IV. keusch zu bleiben, was sie am Karfreitag 1228 vor ihrem Beichtvater, dem strengen Konrad von Marburg, noch einmal bekräftigte. Neben ihm war Franz von Assisi ihre geistliche Leitfigur. Unter dem Schutz Papst Gregor IX. stehend, zog die Witwe nach Marburg, stiftete, wie schon 1223 in Gotha, auch hier ein Hospiz, dem Franziskus geweiht. Vier Jahre nach ihrem Tod, 1235, wurde sie als „Mutter der Barmherzigkeit“ heiliggesprochen.

In die Geschichte ging die 24-jährige als Königin ein, die Kleider und Besitz verschenkt, sich um Christi Willen erniedrigte und ihre Freude darin fand, anderen zu helfen, sie „froh“ zu machen. Man fragte: „Warum berührst du, Königin, den Schmutz?“ Sie habe die „allerniedrigste“ Lebensweise gewählt, weil sie nach dem Himmelreich strebe, ihre Krone abgelegt, damit sie nicht „vor dem König Jesus, den ich mit Dornen gekrönt sehe, stolz mit einer Krone erscheine“. In den Leidenden und Kranken erkannte sie den kranken und leidenden Christus, deshalb legte sie einen Aussätzigen in ihr eigenes Bett. Ein exemplarisches Leben, eine subversive Biografie: Wer sich erniedrigt, der wird erhöht werden. Nun folge ihr einer nach, im Stolz dieser Welt! Gerold Paul

Gerold Paul

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