Kultur: Bartolotti als besonderes Geschenk
Es geht wohl vielen so in diesen Tagen. Einerseits empfindet man den ganzen Trubel, diese stereotype Bilder- und Geschichtenwelt, diese vorhersehbare Beschallung rund um die Weihnachtszeit mehr als fragwürdig und nicht selten lästig.
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Es geht wohl vielen so in diesen Tagen. Einerseits empfindet man den ganzen Trubel, diese stereotype Bilder- und Geschichtenwelt, diese vorhersehbare Beschallung rund um die Weihnachtszeit mehr als fragwürdig und nicht selten lästig. Andererseits möchte man sich trotzdem nicht komplett verweigern, sondern eine Art Mittelweg, eine Art Balance finden, die diesen Tagen etwas Besonderes, auch Neues und vielleicht sogar Überraschendes geben. Ein Sonderkonzert zum Jahresausklang im Kammermusiksaal Havelschlösschen bot am Samstagabend diese Möglichkeit in fast schon perfektem Einklang. Besinnlichkeit in Verbindung mit Überraschendem.
Der in Potsdam und Berlin lebende Musiker Matthew Jones stellte ausgewählte Passacaglien von Angelo Michele Bartolotti auf der Barockgitarre vor. Mit einem Zyklus von 24 Passacaglien durch alle gängigen Dur- und Moll-Tonarten hatte Bartolotti sein 1640 herausgegebenes „Libro Primo di Chitarra Spagnola“ eröffnet. Ein Fingerzeig, mit dem der Musiker Bartolotti, der später am Hofe Ludwig XIV. in Versailles die Theorbe spielte und als bester seiner Zunft galt, seine Meisterschaft als Komponist unter Beweis stellte. Jones, gebürtiger Australier, plant im kommenden Jahr die Aufnahme einer Doppel-CD mit allen 24 Passacaglien, wobei jeweils die letzte Variation in die Tonart der nächsten moduliert. Im Kammermusiksaal stellte er 12 dieser Passacaglien vor.
Bartolottis Passacaglien sind stark vom musikalischen Stil seiner italienischen Heimat geprägt. Erst in seinem späteren Kompositionen fand er zu der für den Barock so typischen Mischung aus Italienischem mit dem Französischen. So war dieses Konzert im fast nur von Kerzenlicht beschienenen Kammermusiksaal eine genussvolle Reise über die Alpen in südliche Gefilde. Jones spielte mit nuancierten Anschlag und wusste jeder Tonart einen spezifischen Charakter, ein spezifisches Gesicht zu geben. Besonders wirkungsvoll die Wechsel zwischen Dur und Moll. Jede seiner Passacaglien eröffnet Bartolotti mit Akkordfolgen und einfallsreichen Akkordvariationen. Später folgen dann kontrapunktische, vor allem aber chromatische Variationen über das Thema, wobei sich gerade hier Bartolottis große Meisterschaft auf diesem Instrument zeigt. Denn hier verbindet er die Zupftechnik der rechten mit einer nicht nur greifenden, sondern durch Aufschlags- und Abzugsbindungen ebenfalls spielenden linken Hand. Ein virtuoser, farben- und gestaltungsreicher Kosmos entstand so unter den Finger von Matthew Jones, dessen Konzert zu einem besonderen Geschenk für die Zuhörer wurde. Dirk Becker
Dirk Becker
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