Kultur: Beatboxende Flöte mit rasantem Cello Prokofjews „Peter und der Wolf“ ganz anders
Wieso nicht den Peter aus Prokofjews „Peter und der Wolf“ einfach nach Brooklyn verpflanzen? Das New Yorker Greg Patillo Project Trio kennt keine Grenzen, wenn es darum geht, beispielsweise klassische Musik ganz neu zu arrangieren.
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Wieso nicht den Peter aus Prokofjews „Peter und der Wolf“ einfach nach Brooklyn verpflanzen? Das New Yorker Greg Patillo Project Trio kennt keine Grenzen, wenn es darum geht, beispielsweise klassische Musik ganz neu zu arrangieren. Also lassen sie am Samstag im Potsdamer Nikolaisaal den kleinen Jungen in der großen Stadt leben – beatboxende Flöte, aufgeräumter Bass, rasantes Cello. Der Großvater, bei dem der Junge wohnt, ist grummelig und dunkel gezeichnet, der Bass hat hier die lauteste Stimme. Peters Freunde, Duck, die coole Cat und Bird sind quirlig und lebhaft, die Flöte und das schnelle Cello geben den Ton an.
Die Kinder wollen raus, im Prospect Park spielen, der Großvater warnt – wieder das dunkle grummelige Cello – und dann kommt er: der Wolf. Die Musiker des Trios, der energiegeladene Greg Patillo an der Flöte, Eric Stephenson am Cello und der offensichtliche Clown der Truppe, Peter Seymour am Kontrabass, haben sichtlich Spaß an dem Klassiker der Musikgeschichte und geben mit dunkler lauter Bassstimme den furchtbaren Wolf, der die Kinder durch den Prospect Park jagt.
Das Publikum des Abends, das zum größten Teil aus Kindern und Jugendlichen besteht, ist sichtlich fasziniert von der Spielfreude und dem jugendlichen Charme der Musiker, die, der Potsdamer Crossover-Konzertreihe angemessen, die Möglichkeiten ihrer Instrumente so ausreizen, dass die jungen Gäste überrascht sein müssen. Hier mischen sich Hip-Hop und Jazz mit Klassik, wird gejammt, gezupft, geklopft, werden Töne produziert, die man den Instrumenten der drei einfach nicht zutraut und die das Repertoire an Möglichkeiten für ihre Interpretationen und eigenen Arrangements unglaublich weit aufmachen.
Es ist eine Freude, den dreien in der ersten Hälfte des Abends dabei zuzusehen, wie sie Beethoven huldigen, Brahms „Ungarische Tänze“ über die Bühne wirbeln lassen oder mit „Raga Raja“ ihr eigenes Bild von Indien entstehen lassen. Immer wieder sprechen sie mit schlichtem, verständlichem Englisch zum Publikum, erzählen von ihren Werdegängen als Musiker und von ihrer Passion, Kindern musikalische Bildung zu vermitteln. Selbst im Jugendsinfonieorchester musikalisch groß geworden, vermitteln sie in Workshops und Meisterklassen, wie Musikstile sich miteinander vermischen können.
In Potsdam hat es einen zweitägigen Improvisations- und Beatboxing Workshop an verschiedenen Potsdamer Schulen gegeben. Höhepunkt und Ende ihres zehntägigen Aufenthaltes war das Konzert im Nikolaisaal, das die Musiker im zweiten Teil mit dem Jugendsinfonieorchester der Städtischen Musikschule Potsdam „Johann Sebastian Bach“ absolvierten.
Die drei Künstler lassen ihre jungen Kollegen gut aussehen. Die selbstkomponierten Stücke, mit denen die naturverbundenen Musiker Sturm und Hagel auf die Bühne holen, einen sanften Wind wehen lassen und einen Kirschblütenregen suggerieren, brauchen den breiten Klangteppich der Streicher, die Dramatik der Bläser und die pointiert eingesetzten Flöten. Ein Großteil des Sinfonieorchesters musiziert ernst und konzentriert. Nur eine der Flöten hat sichtlich Spaß an dem ungewöhnlichen Sound und geht ordentlich mit, wenn Jazz oder Hip-Hop sich in die Stücke mischen. Hier ist der Funke der Grenzüberschreitung von Musikstilen übergesprungen. Andrea Schneider
Andrea Schneider
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