Kultur: Beethovens schlichte Größe Festkonzert
in der Nikolaikirche
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Mit ernster, regungsloser Miene betritt er gemessenen Schritts das Podium, um den musikalischen Teil des Festakts am Vorabend des Tages der Deutschen Einheit in der Nikolaikirche zu zelebrieren. Von solcher staatsmännischen Distinguiertheit, wie sie Kantor Björn O. Wiede ausstrahlt, könnte sich mancher Diplomat eine Scheibe abschneiden. Sparsam, aufs Nötigste konzentriert sind seine Dirigiergesten. Nach der Begrüßung durch die Generalsuperintendentin Heilgard Asmus sind sie sogleich bei der Ouvertüre zum heroisch-allegorischen Ballett „Die Geschöpfe des Prometheus“ gefragt. Die Mitglieder der Neuen Potsdamer Hofkapelle stürzen sich voller festlichem Vergnügen in das Konzentrat musikalischen Geschehens, das von einer männlichen und weiblichen Tonstatue handelt. Mit dem geraubten Feuer vom Olymp erweckt sie Prometheus zum Leben, was alsbald zu Komplikationen bei der Menschwerdung führt. Doch die um Hilfe gebetenen Musen helfen dabei kräftig mit. Die Liebe triumphiert schließlich. Der festlich-getragenen, wegen der nachhallreichen Kirchenakustik breit genommenen Einleitung folgt fröhliches, tänzerisch beschwingtes Musentreiben, ehe sich alles zum jubelnden Finale fügt. Gediegen wird musiziert, weich gezeichnet. Die kraftvollen Bläser warten mit einem runden Ton auf.
Nun darf der Dirigentenstab für eine staatsaktende Weile ruhen. Oberbürgermeister Jann Jakobs überbringt Grußworte, dann hält Alt-Landesvater Matthias Platzeck eine Laudatio auf Brandenburgs Gründungsvater Manfred Stolpe. Dessen Wirken lässt sich kaum schöner und trefflicher beschreiben: „Er hatte Drähte zu Gott und zum Teufel – erfolgreich genutzt hat er sie für die Menschen.“ Stolpes Eintrag in das Goldene Buch der Landeshauptstadt Potsdam folgt die Festansprache des solcherart Geehrten. Sie ist ein sehr persönliches Resümee, das Erfolge beschreibt, aber auch Niederlagen nicht ausspart. Passend für den einstigen Landeslenker und kirchlichen Konsistorialpräsidenten erklingt anschließend Beethovens Messe C-Dur op. 86, in der keine katholisch-musikalische Prachtentfaltung stattfindet, sondern die liturgische Textvorlage musikalisch eine sehr irdische, gefühlsintensive und subjektive Ausdeutung erfährt.
Weich klingt der Chor von St. Nikolai, sehr ausgewogen tönen die einzelnen Stimmgruppen. Die Riege der hohen Frauenstimmen wird durch einen Knabensopran ergänzt, der überaus konzentriert bei der Singsache ist. Zweifellos eine zielstrebige Nachwuchsförderung! Als dienlich für den geschmeidigen Gesamtklang erweist sich, dass die vier Gesangssolisten bei ihren entsprechenden Chorstimmen stehen, teilweise deren Part mitsingen, gleichsam als Stimmführer fungieren. Lieblich und tröstlich erklingt das einleitende „Kyrie eleison“, in dem Sopranistin Susann Ellen Kirchesch mit betörender, höhensicherer, viel innere Bewegtheit ausdrückender Stimme gleichsam die Federführung übernimmt. Das exzellent zusammenklingende Solistenquartett vervollständigen der strahlende und höhenleichte Tenorlyriker Bendikt Kristjánsson, die dunkel timbrierte Altistin Hildegard Rützel und der solide Bassbariton Sebastian Bluth. Für die spannende Wiedergabe von Beethovens schlichter Größe und zupackender Leidenschaft geprägtem Werk sorgen auch die Musiker. Peter Buske
Peter Buske
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