Kultur: Begnadeter Gründer
Historiker Schoeps erhielt Bundesverdienstkreuz
Stand:
Historiker Schoeps erhielt Bundesverdienstkreuz Der Tag begann in einem engen Zeitkorsett. Seit neun Uhr saß Prof. Julius H. Schoeps gestern bereits auf dem Podium im Alten Rathaus, die Geschichte der Bücherverbrennung in Deutschland war Thema einer Konferenz. Doch schon zur Kaffeepause erinnerte die Moderatorin daran, dass der Zeitplan akribisch einzuhalten sei, sollte dem Potsdamer Historiker Schoeps zum Mittag doch das Bundesverdienstkreuz verliehen werden. Schoeps harrte derweil mit der ihm eigenen zurückgelehnten Gelassenheit der Dinge. Erst kurz vor zwölf sah man ihn die Treppe hinunter eilen, seinen Gästen entgegen. Der Rahmen spielt bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes immer eine wichtige Rolle, er soll für das stehen, was den Geehrten charakterisiert. So spricht dann die von Schoeps initiierte Tagung zur Bücherverbrennung auch Bände, darüber, dass ein Historiker sein Lebenswerk der deutsch-jüdischen Symbiose verschrieben hat, ihren hellen wie auch ihren dunkelsten Seiten. Über das stete Ringen um eine deutsch-jüdische Identität, über eine Biographie, die 1942 als Kind jüdischer Eltern im schwedischen Exil begann, die nach langen Schaffensreichen Jahren im Westen einen Menschen durch Zufall zurück ins ehemalige Preußen führte, in dem sein Vater und Großvater sich als Juden, Preußen und Konservative fühlten. Ein gebrochenes Verhältnis, das bei Schoeps tiefe Spuren hinterlassen hat. Hinterlassen musste. So glaubte sein Großvater zu Beginn des Zweiten Weltkrieges – in grotesker Verkennung der Umstände – für das deutsche Vaterland in den Krieg ziehen zu müssen. Später starb er in Theresienstadt. Niemals verbittert und anklagend aber immer auch mit dem Finger in der Wunde des deutsch-jüdischen Fiaskos verschrieb sich Schoeps der deutsch-jüdischen Geschichte. Das Verdienstkreuz bekam der 63-Jährige nun für sein lebenslanges Engagement, das weit über den Beruf hinaus geht. „Für seinen unermüdlichen Einsatz für die Aussöhnung zwischen jüdischen und nichtjüdischen Deutschen, und für Toleranz und friedliche Koexistenz zwischen Kulturen und Religionen“, so die Begründung, die Brandenburgs Wissenschaftsministerin Johanna Wanka im Namen von Bundespräsident Horst Köhler überbrachte. „Und weil wir in Deutschland sind, gibt es eine Empfehlung zur Tragweise des Verdienstkreuzes dazu“, ergänzte Wanka zum allgemeinen Amüsement. Einen begnadeten Publizierer, dessen Schriften es leicht mit dem Köchelverzeichnis aufnehmen könnten, nannte Laudator Prof. Joachim H. Knoll dann den Ausgezeichneten. Und einen begnadeten Gründer. Zuletzt schlug sich Schoeps“ Gründungswut in Potsdam nieder, etwa im Moses Mendelssohn Zentrum und den Jüdischen Studien an der Universität. Doch auch bis Duisburg, Wien und Halberstadt trug der Historiker schon seinen Gründungseifer, hinterließ Institute, Zentren und Museen. Er selbst spricht selbstkritisch geradezu von einer Sucht, für die er nur Hegel zur Ausrede habe: „Organisation ist der Inbegriff des Vernünftigen“. Sein Laudator wies darauf hin, dass bei soviel Engagement Missgunst und Neid nicht ausbleiben. Denkt man an Schoeps fruchtlose Bemühungen um ein Preußen-Museum oder den mangelnden Rückhalt für die Jüdischen Studien an der Universität, mag dem tatsächlich so sein. Zumal sich Schoeps unermüdlich und unüberhörbar zur Sprache meldet, als „kreatives Ärgernis“, wie er selbst sagt. Eben gerne auch mal unbequem.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: