Kultur: Bei aller Liebe
Eckart von Hirschhausen im Nikolaisaal
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Ein guter Arzt kennt die beiden Modelle, nach denen Partnerschaften funktionieren. Entweder ist es wie bei den Schnittblumen, die sofort in voller Pracht stehen, doch rasch die welken Köpfe hängen lassen. Oder wie bei den Topfpflanzen, die man mehr pflegt, um sich länger an ihnen zu erfreuen. Es sind Weisheiten wie diese, mit denen Doktor Eckart von Hirschhausen am Montagabend im ausverkauften Nikolaisaal für Glücksmomente sorgt. Erkenntnisse, für die sich seine Gäste mit kräftigen Lachsalven und nach über zweieinhalb Stunden, mit tosendem Beifall bedanken.
Trotz dünnem Stimmchen singt der medienpräsente Mediziner an diesem Abend auffallend oft. Ja, wie ein Entertainer aus Hitparaden-Zeiten kommt er so schon vom Seitengang her auf die Bühne, wo Christoph Reuter, der gute Mann am Piano auf ihn wartet. „Liebesbeweise“ nennt von Hirschhausen sein aktuelles Kabarettprogramm, in welchem es natürlich um die an vielen Begleiterscheinungen reiche Liebe und um die Unterschiede zwischen den Geschlechtern geht. Und obwohl er seinem Publikum den Glauben an die romantische Liebe nicht nehmen will, gibt er doch zu bedenken, dass Romeo und Julia nie gemeinsam im Ikea-Markt oder im Stau stehen mussten. Die hätten genauso wenig einen Beziehungsalltag erlebt wie Immanuel Kant eine Frau, da dieser fortwährend das Ding an sich gesucht habe. Schön, wenn sich der hemdsärmlig dastehende Liebesberater dann auch noch zu seinen Kalauern und sanften Zoten bekennt.
Witzig erst wird von Hirschhausen, wenn er zu bedenken gibt, dass öfter mal ein Oberarzt eine Krankenschwester heirate, nie aber eine Oberärztin einen Krankenpfleger, dass das Schönsaufen von Frauen nur den Männer gelinge oder dass sich der Mann über einen Mangel an Information definiere, wenn man X- und Y-Chromosom miteinander vergleiche. Lachen mit Anspruch – er nennt es seinen „Barth mit Niveau“. Ganz ausdrücklich beipflichten aber möchte man seinen gesungenen Analysen deutscher Schlager, Liebeslieder wie die eines Roland Kaiser, Peter Maffay oder Heinz Rudolf Kunze, sieht man einmal großzügig über von Hirschhausens verunglückten, jähen Tanzeinlagen hinweg. Doch die stets grob gereimten und deshalb meist auch so schnell und undeutlich präsentierten Texte dieser Gassenhauer sind wohl selten so streng als barer Unsinn entlarvt worden wie in der Interpretation von Doktor Eckart von Hirschhausen und seines Pianisten.
Wenn man diesem Kabarettisten seine immer wieder auch fehlgeschlagenen Aha-Momente, seine dann nur durch Selbstironie noch aufgefangenen flachen Pointen oder die allein mit seinem ehrbaren sozialen Engagement zu erklärende Produkteigenwerbung verzeiht, so wohl aufgrund seines jungenhaften Charmes. Eckart von Hirschhausen, der nicht müde wird, sich die rote Clownsnase aufzusetzen, um das Wesen des Humors zu erklären und während der Pause im Foyer bereitwillig seine Bücher und CDs signiert und plaudert, interagiert ständig mit seinem Publikum, sucht dessen Nähe, auch mitten im voll besetzten Saal. Gleich einem Animateur lässt er die Menge summen, singen, mitklatschen und freut sich über jene, denen dieser kollektive Stimmungseffekt sichtlich peinlich ist. Nur einmal, als er eine Dame fragt, wie sie ihren 50. Hochzeitstag gefeiert habe und diese entgegnet „Feiern? Wie meinen sie das?“, fehlen dem Doktor und Entertainer, inmitten des losbrechenden Feixens, mal kurz die Worte. Daniel Flügel
Daniel Flügel
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