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Kultur: Beifall für Näthers Neuheit „Vocalise“-Konzert mit erneuter Uraufführung

Bis unmittelbar vor Konzertbeginn üben die Musiker des Neuen Kammerorchesters Potsdam in der sich allmählich füllenden Erlöserkirche noch knifflige Passagen, flinke Läufe, komplizierte Lagenwechsel, schrille Flötentöne oder schneidende Trompetenstöße. All das wird die nachfolgende Uraufführung des „Stabat mater dolorosa“ (Stand die Mutter schmerzerfüllt) von Gisbert Näther am Samstag in reichem Maße bereithalten.

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Bis unmittelbar vor Konzertbeginn üben die Musiker des Neuen Kammerorchesters Potsdam in der sich allmählich füllenden Erlöserkirche noch knifflige Passagen, flinke Läufe, komplizierte Lagenwechsel, schrille Flötentöne oder schneidende Trompetenstöße. All das wird die nachfolgende Uraufführung des „Stabat mater dolorosa“ (Stand die Mutter schmerzerfüllt) von Gisbert Näther am Samstag in reichem Maße bereithalten. Der Potsdamer Komponist hat das mittelalterliche Reimgebet zu einem expressiven, klangmodernen, dennoch sehr emotional geprägten Klagegesang vertont. Doch wie werden die „Vocalise“-Besucher nach dem vor Tagen erfolgreich uraufgeführten Stück „Ashkava“ (Die Grablegung) von Joseph Bardanashvili diese zweite Novität des renommierten Sängerfestes aufnehmen? Näthers Neuheit kreist, wie auch das danach aufgeführte „Requiem“ des Franzosen Gabriel Fauré, um das ewige Thema von Vergänglichkeit, Trauer und Tod. Darüber sinnierte bereits Shakespeares Dramenheld Hamlet: „Nur dass die Furcht vor etwas nach dem Tod, das unentdeckte Land, von des Bezirk kein Wandrer wiederkehrt – den Willen irrt.“ Nachdem das obligatorische Einstimmen aller schön durcheinander tönenden Instrumente beendet ist, der Chor, bestehend aus Potsdamer Singakademie und Berliner Lehrerchor, seinen Tribünenplatz eingenommen hat, kann unter Anleitung von Thomas Hennig nebst den Gesangssolisten Yvonne Friedli (Sopran) und Haakon Schaub (Bassbariton) die Reise ins Näthersche Neuland beginnen.

Dunkle Streicherklänge, Tubatiefe, pointierte Celestatropfen und gemeinsames Cello-Kontrabass-Streichen schaffen jenes Fundament, von dem aus sich die anschwellenden, schmerzzerrissenen „Stabat mater“-Rufe der von einem erfreulichen Männerüberschuss geprägten Sangesgemeinschaft kraftvoll entfalten können. Ihr engagierter Einsatz und stimmlich vorzügliches Singen verleiht der zehnteiligen Trauerklage eine emotional stark bewegende Aussagekraft, der sich kaum ein Zuhörer entziehen kann. Ausstrahlungsstark, präzise in den Einsätzen und sicher in der Intonation ist dem Chor zwischen deklamatorischem Redetonfall, Flüstern und Schreien, dissonanten Ausbrüchen und geschmeidigen Betrachtungen, verstörenden, bedrohlichen und aufbegehrenden Passagen eine Menge an Ausdrucksvermögen abverlangt. Zudem sind sie vom Dirigenten zu dynamisch differenziertem Tönen angehalten. Mit seiner genauen, zielstrebigen Zeichensprache hat Thomas Hennig den gesamten Klangapparat vorzüglich im Griff. Er lässt das raffiniert instrumentierte Geschehen farbenreich erblühen, verhilft Glissando-Effekten von Pauke oder Harfe sowie mannigfaltigen Instrumentalsoli zu gebührender Wirkung. Die Gesangssolisten sind von Anfang bis Ende ununterbrochen tätig: Yvonne Friedli mit einer werkpassenden geschärften Stimme, die über eine stählerne Höhe verfügt und einem objektivierenden Vortrag zugetan ist; Haakon Schaub mit bassschwarzem, voluminösem Gesang. Der anwesende Komponist kann sich über die beifallsfreudig aufgenommene Taufe seines Klangkindes freuen. Nach kurzer Pause bieten alle Beteiligten mit der Wiedergabe des Fauréschen „Requiem“ ein klangliches Kontrastprogramm: die Begegnung mit einer Totenmesse voller seelenwarmer Tröstung, weichgetönter Melodik. Dynamik und dramatische Ausbrüche nimmt Thomas Hennig stark zurück, setzt dafür auf sich breit verströmenden Trauertrost à la française. Peter Buske

Peter Buske

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