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„Klassik am Weberplatz“: Bekenntnis für sechs Saiten

Beim Babelsberger Open-Air-Event „Klassik am Weberplatz“ heißt es am Samstag „Gitarrissimo“

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Potsdam - Leicht macht Karsten Intrau es sich nicht. Wenn der Potsdamer Gitarrist am Samstag bei „Klassik am Weberplatz“ zusammen mit dem Sinfonieorchester Collegium musicum Potsdam das „Concierto de Aranjuez“ von Joaquin Rodrigo spielen wird, orientiert er sich an einem Großmeister der Zunft. Zusammen mit dem Orquesta de Cadaqués hatte Paco de Lucia 1991 das „Concierto de Aranjuez“ eingespielt. Allein schon der Name dieses Flamencogitarristen elektrisiert. Erst recht, wenn man seine eigenwillige Interpretation des wohl bekanntesten und am häufigsten gespielten Gitarrenkonzerts hört. Selbst der damals 90-jährige Joaquin Rodrigo soll gesagt haben, dass Paco de Lucias Interpretation die brillanteste sei. Und an dieser Einspielung, die auch noch heute als Referenz gelten muss, misst sich Karsten Intrau für seinen eigenen Auftritt. Auch wenn er so die Messlatte sehr, sehr hoch hängt, eine bessere Einstellung kann man sich als Zuhörer kaum wünschen. Denn nur wer etwas wagt, sich an den Besten misst, kann diesem wunderbaren „Concierto de Aranjuez“, das mittlerweile zum durchgenudelten Klassikhit verkommen ist, wirklich noch etwas abgewinnen.

Auch Knut Andreas, Dirigent und künstlerischer Leiter des Sinfonieorchesters Collegium musicum Potsdam, wagt etwas am Samstag auf dem Weberplatz. Denn er belässt es nicht allein bei Rodrigos „Concierto de Aranjuez“. Die „Klassik am Weberplatz“ ist mit nur einem Wort überschrieben: „Gitarrissimo“. Soll heißen, das selbst ernannte Babelsberger Open-Air-Event steht in diesem Jahr ganz im Zeichen der Gitarre. Neben Karsten Intrau wird Guilherme Vincens aus Brasilien dafür sorgen, die Vielfalt und den klanglichen Facettenreichtum der klassischen Gitarre in die Potsdamer Nacht zu werfen.

Als ein Fest für die ganze Familie bezeichnet Andreas die „Klassik am Weberplatz“. Unter dem Programmtitel „Tango sinfónico“ hatte er im Sommer 2009 mit diesem Fest begonnen. Ein besonderer Ort, der auch ein besonderes Programm braucht. Niemand muss hier Eintritt zahlen. Wer möchte, kann das Konzert auch in Form eines Picknicks genießen. Eine ganz offene, ungezwungene Atmosphäre, in der aber nicht der Respekt vor der Musik und den Künstlern verloren geht. Seitdem gehört „Klassik am Weberplatz“ jedes Jahr zu einem der Höhepunkte im Babelsberger Kulturleben.

Beim ersten Konzert war auch Karsten Intrau mit dabei. Zusammen mit Lothar Hensel auf dem Bandoneon hatte er für den entsprechenden musikalischen Zauber gesorgt. So ist sein Auftritt am Samstag im Grunde auch eine Art Heimspiel.

Neben Rodrigos „Concierto de Aranjuez“ wird am Samstag auch dessen „Fantasía para un Gentilhombre“, Vivaldis Konzert für 2 Gitarren und Streichorchester in G-Dur, „Choros 1“ von Heitor Villa-Lobos, „Jongo“ von Paulo Bellinati und das Konzert für Gitarre und Orchester Nr. 1 in D-Dur op. 99 von Mario Castelnuovo-Tedesco zu hören sein. Dass an einem Konzertabend ein Solist spielt und dass dieser Solist auch ein Gitarrist sein kann, ist ab und an auch in deutschen Konzertsälen zu erleben. Dass aber ein ganzer Abend diesem Instrument gewidmet wird, hat schon mehr als Seltenheitswert.

„In der Form habe ich das auch noch nicht erlebt“, sagt Knut Andreas. Aber er ist sich sicher, dass sich dieses Wagnis auszahlt. Denn „Klassik am Weberplatz“ will keine Standardprogramme bieten, die in jedem Konzerthausprogramm zu finden sind. Ein Abend, der unterhalten und, im besten Fall, auch verführen und verzaubern soll. Auch für den Besucher, der bisher kein klassisches Konzert besucht hat, vielleicht die faszinierende Welt dieser Musik ein klein wenig eröffnen. Da sei die Gitarre, ein Instrument, das eigentlich jeder kennt, sehr gut geeignet, so Andreas. Dass er neben Karsten Intrau auch den brasilianischen Gitarristen Guilherme Vincens gewinnen konnte, macht das Vorhaben dann fast schon perfekt.

Die  enge Verbundenheit des Dirigenten Andreas mit der Musikwelt Brasiliens zeigte sich schon deutlich im vergangenen Jahr, als die „Klassik am Weberplatz“ zur „Brasilianischen Nacht“ mit der Sängerin Eliana Printes geladen wurde. Anfang August erhielt Andreas den brasilianischen Orden für kulturelle Verdienste. Über den Dirigenten Leonardo Cunha, der im vergangenen Jahr in Potsdam zu Gast war, hat er den Gitarristen Guilherme Vincens kennengelernt.

Zwei Gitarristen, der eine aus Deutschland, der andere aus Brasilien, das verspricht zwei unterschiedliche Spielweisen, zwei unterschiedliche Klangwelten, dazu Rodrigo und Villa-Lobos, Vivaldi, Bellinati und Castelnuovo-Tedesco. Das klingt sehr nach einem Siegeszug für die sechs Saiten.

„Gitarrissimo“ mit dem Sinfonieorchesters Collegium musicum Potsdam unter der Leitung von Knut Andreas und den Solisten Guilherme Vincens und Karsten Intrau am Samstag, dem 25. August, 20 Uhr, auf dem Weberplatz in Babelsberg. Bei Regen findet das Konzert in der Friedrichskirche statt. Der Eintritt ist frei

Dirk Becker

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