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Kultur: Belcanto in der Kirche

Verdis Requiem zum Finale der Vocalise

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Klein ist die Erlöserkirche in der Brandenburger Vorstadt eigentlich nicht, aber bei der Aufführung des Requiems von Giuseppe Verdi wirkte sie beinahe niedlich. Zu eng für das zahlreich drängende Publikum, zu wenig Raum für ein solch monumentales Werk. Abgesehen davon, das sich die Musiker und die Sänger vor und hinter dem Altar dicht an dicht drängten, erfordert dieses Opus magnum auch klanglich gewisse räumliche Ausmaße.

Hatte die diesjährige Vocalise den Potsdamern mit der h-Moll-Messe von J. S. Bach schon Imposantes beschert, so ließ es sich der Künstlerische Leiter Ud Joffe zum Finale nicht nehmen, einen weiteren „Knüller“ der Oratorienmusik zu präsentieren. Dazu wurde das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt (Oder), vier Solisten und der Chor der Potsdamer Kantorei mit über einhundert Sängern aufgeboten.

„Seine letzte Oper, aber in Kirchenkleidern“, urteilte Dirigent Hans von Bülow, nachdem er Verdis Requiem gehört hatte. Damit hatte er nicht Unrecht. Wenn auch die Texte und der Ablauf der Liturgie des katholischen Totengottesdienstes entsprechen, so gleicht die musikalische Ausführung einer Oper.

Für dieses Großwerk des Gesangs müsste man den Begriff „Kirchenoper“ erfinden. Vier Gesangssolisten bieten das gesamte Arsenal spätromantischen Gesangs mit Arien, Duetten, Terzetten und Quartetten auf. Mit Bozena Harasimowicz erschien eine adäquate Sopranistin, die mit brillantem Gesang aufwartete. Ihr finales „Liberame“ geriet zu einem vokalen Höhepunkt des Konzerts. Auch die junge Mezzosopranistin Anne Alt aus Estland erfreute mit golden abgerundeter Stimme, schöner Intonation und sensibler Phrasierung. Als Heldentenor von italienischen Ausmaßen wusste Tenor Jörg Brückner zu überzeugen, besonders im wohlgestalteten „Ingemisco“. Einzig der Bass, Jacek Janiszewski traf nicht so ganz das schmelzende Kolorit, war in der Mittellage wenig geschmeidig und eher trocken.

Dies zeigte sich speziell beim „Lacrymosa“, einer Klagearie, die Verdi ursprünglich für seinen „Don Carlos“ komponiert hatte. Das Offertorium bot zum Tremolo der Streicher, Flötentriller und gleißende Koloraturen auf – und kam über eine plakative Darstellung nicht hinaus.

Bei so viel Belcanto in der Kirche bleibt eine protestantisch oder aufklärerisch erwünschte schlichte Empfindsamkeit einfach auf der Strecke. Der Zuhörer wird überwältigt von effektvollen, theatralischen Tonbildern, wie im „Dies irae“ mit dem kriegerischen Furioso der Pauken und Trompeten zum herben Stimmklang des großen Chores.

Doch vielleicht ist alles nur eine Frage des Temperaments. Allerdings wollen die Frankfurter Musiker den straffen Tempi des Dirigenten nicht immer recht folgen. Lieber verbreiten sie einen behäbig-getragenen Sound, etwa in der großen Szene des „Lux aeterna“. Wunderbar zart setzt der Chor im idyllischen „Sanctus“ ein, wird jedoch im Finale so schmetternd vom Orchester zugedeckt, das es beinahe wie eine Parodie auf Verdis gigantische Klänge klingt.

Die Potsdamer Kantorei überzeugte mit gut ausbalancierten Stimmen, war sowohl den dramatischen als auch den genuin melodiösen Passagen gewachsen und kann mit dieser Aufführung von Verdis Requiem einen weiteren gelungenen Meilenstein im Oratorien-Repertoire verbuchen.Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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