Kultur: Berauschend
Mutabor brachte mit ihrem neuen Album „Das Blaue“ die Menge in der Waschhaus Arena zum Tanzen
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Rasterlocken und Schlabberhosen hüpfen im blauen Scheinwerferlicht energievoll auf und ab. Die eindringlichen Melodien von Geigen und Flöten dringen verspielt zwischen krachigen Gitarrenriffs und pochenden Schlagzeugsbeats hervor. Junge Mädchen lassen sich beim Stagediving von dem pogenden und wild tanzenden Publikum durch die Waschhaus Arena tragen. Dort bewiesen am vergangen Freitag die Verwandlungskünstler von Mutabor einmal mehr, dass sie auch nach ihrer dreijährigen Bandpause nicht vergessen haben, wie man die Menge zum Ausflippen bringt. Sie stellten bei ihrem zweiten Konzert nach ihrer Wiedervereinigung am Wochenende in Potsdam ihr neues Album „Das Blaue“ vor.
„Der Mensch hat schon immer etwas gebraucht, womit er sich berauschen kann“, gibt der Sänger der Band Axel Steinhagen zu denken und meint damit seine ambitionierte Rockmusik, die an diesem Abend ein gemischtes Publikum aus alternativen Jugendlichen und vereinzelten im Hintergrund mitwippenden älteren Pärchen, in einen Rausch versetzt.
Der auf den ersten Blick leicht mit einem asiatischen Kampfsport verwechselbare Tanzstil vieler Mutaborfans scheint mindestens genauso schweißtreibend zu sein. Denn verschwitze Oberkörper und Gesichter glänzen im wilden Flimmern der Scheinwerfer. Auf der Bühne tobt sich der sozial engagierte Frontsäger musikalisch und poetisch bei Songs wie „Viva La Humanidad“ (Es lebe die Menschlichkeit) oder „Chancengleichheit“ aus. Er lässt Arme und Beine ungehemmt zappeln und wirkt dabei wie ein kleines Kind zwischen seinen beiden eher zurückhaltend und dezent tanzenden Background-Sängerinnen, die für melodische Klänge von Geigen, Flöten, Saxophon und Akkordeon sorgen. Dieser optische Kontrast ist beim Spielen mit roten Herzluftballons und beim Ausweichen vor geladenen Wasserpistolen leicht übersehbar.
Ein absoluter Höhepunkt des ganzen Abends war das von Meeresrauschen begleitete Lied „Mein Käpt’n“, bei dem eine junge Frau aus dem Publikum auf einem blauen Gummiboot sitzend über die Menge hinwegsegelte, während Axel Steinhagen wie Jesus mit ausgebreiteten Armen von Sehnsucht und Freiheit sang.
Auch Mutabor Klassiker wie „Es gibt keine Liebe“ blieben nicht ungespielt. Dabei bildete das Publikum eine „Geschlechterkluft“ und durfte an diesem Abend ihren Frust über gescheiterte Lieben herausbrüllen. Eine Art Therapie also. Er habe heute Abend viel Spaß gehabt, sagt Steinhagen am Ende des Konzerts und spielt dann noch drei zusätzliche Songs. Bevor alle Tanzverrückten mit den hämmernden Beats der Gitarren im Ohr nach Hause oder in die nächste Bar an der Ecke wippten.Friederike Haiser
Friederike Haiser
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