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Kultur: Beschwörungsintensiv

Orgelkonzert mit dem Berliner Kirchenmusiker Kilian Nauhaus in der Propsteikirche St. Peter und Paul

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Kaum Werke für Orgel solo hat er hinterlassen, der Barockheroe Georg Friedrich Händel, dafür eine Fülle an Orgelkonzerten. Könnte man sie durchweg nicht auch solistisch ertönen lassen, das heißt: zusätzlich zum Solopart auch die Orchesterbegleitung auf Manuale und Pedal verteilen? Der Berliner Organist Kilian Nauhaus wagte den Versuch, indem er das B-Dur-Konzert op. 4 Nr. 2 in einer entsprechenden Einrichtung zum Auftakt seines Recital an der Buchholz-Schuke-Orgel in der leider nur mäßig besuchten Propsteikirche St. Peter und Paul am Bassinplatz spielte. Das Ergebnis konnte sich hören lassen.

Der Sinfonia-Auftakt erklang im vollen Werk, das Orchester imitierend. Die konzertante Solostimme, rhythmisch pointiert artikuliert, lag im klangprägnanten Diskant. Überzeugende Manualwechsel, die Wahl passender Register zu einer zauberhaften Klangfarbenmischung und der Einsatz des Jalousieschwellers ließen des Werkes spielerischen Grundzug vorzüglich entstehen. Für“s kurze Adagio, das eher einer Zäsur zwischen den Allegro-Ecksätzen glich, hüllte Kilian Nauhaus die Zungenstimme in starkes Tremolo. Filigran gezeichnet und zurückhaltend, damit der Satzbezeichnung Allegro ma non presto entsprechend, ertönte der geraffte Schluss-Satz.

Prinzipalstimmengewichtig, in gleichmäßigem Metrum und fast durchweg im Fortissimo erklingend, folgte die Choralfantasie „Komm, heiliger Geist, Herre Gott“ BWV 651 von Johann Sebastian Bach, deren Choralmelodie sich im Bass wieder findet. Kraftvoll war daher das Pedal getreten, wodurch sich eine durchdringende Wirkung einstellte, die der Piece zu majestätischer Wirkung verhalf. Gleichsam beschwörungsintensiv hielt der Organist hier wie bei den anderen, größtenteils mehrteiligen Stücken den Schlussakkord lange aus. Diese nachschwingende Nachdrücklichkeit verhieß den Unkundigen: Jetzt ist das Ende erreicht! Zu einer überzeugenden Spieldramaturgie gehört solche hörerfreundliche Geste einfach dazu. Mal sehen, ob sich alle der zum bevorstehenden Internationalen Orgelsommer eingeladenen Künstler dieser Tugend befleißigen. So wusste man auch, wann die Choralbearbeitung über „Komm, heiliger Geist, Herre Gott“ BWV 652 (diesmal mit der reich verzierten Choralmelodie im Sopran) das Ziel ihrer harmonischen Veränderungen erreicht hatte, die Toccata F-Dur BWV 540 (mit ihrem eindrucksvollen Pedalsolo) begann. Glanzvoll und festlich ertönte sie, vom Organisten von ihrer Stimmung her als ein „jauchzet Gott in allen Landen“ begriffen. Die eigentlich folgende Fuge blieb dagegen ungespielt. Leuchtend und klangsatt, von konzertanter Beweglichkeit erfüllt und überaus fantasiereich registriert, verbreitete die Partita über „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ von Georg Böhm all ihren barocken Klangzauber, wobei Kilian Nauhaus für die sieben Variationen stets die geeignetsten Register auswählte.

Der deutsch-protestantischen Eindringlichkeit waren Stücke magischer Klanglichkeit aus der französischen Cuisine de l“orgue effektvoll zur Seite gestellt. Für die ätherische Unwirklichkeit von Jehan Alains „Le jardin suspendu“ (Die hängenden Gärten) mit ihren sehnsuchtsvollen Stimmungen, die irgendwie nicht von dieser Welt sind, hatte Kilian Nauhaus genauso das rechte Ausdrucksempfinden wie für das imitatorische Tirilieren von Amsel, Rotkehlchen, Drossel und Nachtigall aus dem „Chants d“oiseaux“-Zyklus. Schnarrende, celestagläserne und hohltönende Register halfen ihm dabei.Peter Buske

Peter Buske

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