Kultur: Besinnliches und Ironisches
Eigentlich braucht er nur ein Lesestehpult nebst Hochsitz und passender Beleuchtung, um seine Vortragskunst dem Publikum vorzuführen. Doch für seinen mit Spannung erwarteten Rezitationsabend „Oh, du holde Weihnachtszeit“ im Rahmen der programmpiekfeinen „Potsdamer Hofkonzerte“ von Barbara V.
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Eigentlich braucht er nur ein Lesestehpult nebst Hochsitz und passender Beleuchtung, um seine Vortragskunst dem Publikum vorzuführen. Doch für seinen mit Spannung erwarteten Rezitationsabend „Oh, du holde Weihnachtszeit“ im Rahmen der programmpiekfeinen „Potsdamer Hofkonzerte“ von Barbara V. Heidenreich ist die Bühne des Schlosstheaters im Neuen Palais zusätzlich um ein paar stilvolle Accessoires bereichert, arrangiert zu einem vorweihnachtlichen Stillleben aus purer Fichte, zwei Riesenfliegenpilzen, Schlitten und Skier. Im Hintergrund will die Projektion eines mit Kinderhand gemalten Bildes mit dem weisenden Stern von Bethlehem, einem Hirten mit Krummstab und sechs weißen Schäfchen für die passende Gemütslage des Publikums sorgen. Stühle und Notenpulte für zwei, den Leseabend musikalisch auflockernde Solisten vervollständigen das Szene-Interieur für den Auftritt des Bühnen- und Fernsehstars Christian Quadflieg
Größtenteils Gedichte sind es, die sich der Sprachmodelleur von wahrlich altväterlichem Format für seinen unterhaltenden Zweistundenvortrag aus dem Fundus des literarischen Welt- und Regionalerbes zusammengesucht hat. Ob Heiteres, Besinnliches oder Ironisches: für jeden Geschmack ist bei dieser „Auswahl gegen den Konsumterror“ (Quadflieg) etwas dabei. Um dabei nicht ins Uferlose abzudriften, hat er die Verse zu thematischen Blöcken gefügt. Den ersten prägt Kontemplation.
Er beginnt mit Wilhelm Buschs „Der Stern“ – für Weihnachtsmuffel jeglicher Couleur. Eine Geschichte für die Armen erzählt Ludwig Thoma in seiner „Heilige Nacht“-Geschichte mit der entzaubernden Erkenntnis: „ein Reicher war nicht dabei!“ Und auch Bert Brecht schlägt in „Die gute Nacht“ sozialkritische Töne an, für die Quadflieg die ebenfalls passende Diktion findet. Bestürzende Aktualität findet sich in Gasub Sirchans „Der Engel“, der davon träumt, dass sich Mohammed und Moses die Hände geben und gemeinsam einen Friedenspsalm singen müssten.
Von ihren unterschiedlichen Sichten auf die Hirten erzählen unter anderem Peter Huchel und Werner Bergengruen. Dann kommen die heiligen drei Könige zu Rilke-, Heine- oder Hesse-Wort. Zunehmend werden die Betrachtungen abwechslungsreicher und weltlicher. Und es breiten sich in Poesie gegossene Kindheitserinnerungen aus. Wie in Kästners Empfehlung „Für Anfänger“: „ich schenke euch meine Träume, sonst nichts“. In der Variante „Für Fortgeschrittene“ fordert Kindermund: „Der Tannenbaum und was darunter liegt ist mein!“ Nicht weniger köstlich Heinz Erhardts monitäre Geschenkeaufrechnung eines Kindes („Überlistet“), das glaubt, Anspruch auf eine weitere geldeswerte Gabe zu haben.
In all diesen philosophischen oder dem real existierenden Leben abgelauschten Geschichten beweist Christian Quadflieg ein untrügliches Gespür für Sprache und Modulationsreichtum. Mit sicherem Instinkt setzt er Pointen, bleibt erfreulich sachlich und zeigt dennoch viel Gefühl, weiß mit winzigen Zäsuren die Spannung zu steigern. Vor allem nach der Pause, wo der etwas langatmig geratene biblische Teil in lebensprall Heutiges mündet. Witz und Ironie inklusive. Ähnliche Verwandlungen erfährt auch die beigefügte Musik von de Boismortier und Telemann über Mozart und Bach bis zu Henze – für die reizvolle Kombination von Violoncello (Saskia Ogilvie) und Fagott (Volker Tessmann) bearbeitet. Auch diesen solide musizierenden Stimmungsmalern fällt herzlicher Beifall zu. Peter Buske
Peter Buske
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