Kultur: Beständig
Weihnachtsoratorium mit der Singakademie
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Selten genug werden sie heutzutage komplett aufgeführt, die sechs, zum sogenannten „Weihnachtsoratorium“ gefügten Kantaten aus der Feder von Johann Sebastian Bach. Längst hat es sich eingebürgert, sie in wechselnden Zusammenfügungen in der Adventszeit erklingen zu lassen. Auch im säkularen Raum. Und alle Jahre wieder. Also ging auch die Singakademie Potsdam nach 2010 erneut aufs Ganze, bot am ersten Adventssonntag das komplette uvre im Nikolaisaal dar. Wie damals oblag auch diesmal wieder dem künstlerischen Singakademieleiter Thomas Hennig die impulsgebende Stabführung für eine wache und federnde Wiedergabe.
Um dem Publikum eine sitzfleischverträgliche Variante zu bieten, hatte er Nummern wie das Duett „Herr, dein Mitleid“ (aus Kantate III) und das Terzett „Ach, wenn wird die Zeit erscheinen?“ (Kantate V) gestrichen, in den Rezitativen ebenfalls Kürzungen vorgenommen. Zudem dienen ziemlich rasche Tempi für weitere Zeiteinsparungen. Statt in sonst üblichen drei Stunden reinen Musikgenusses erklingt die Fortsetzungsstory von der Geburt Jesu bis zur Huldigung durch die drei Geschenküberbringer aus dem Morgenlande und den Nachstellungen des kindmordlüsternen Herodes in 135 Minuten. Und siehe: Das Fehlen einiger Abschnitte fällt nicht sonderlich auf, denn der Sinnzusammenhang bleibt über die gesamte Distanz gewahrt.
Als Botschaftsvermittler im instrumentalen Bereich ist wiederum das um Aushilfen verstärkte Preußische Kammerorchester aus Prenzlau eingeladen, das mit barocker Materie durchaus vertraut ist. Die von nur fünf ersten Geigen angeführte Spielgemeinschaft entledigt sich ihrer Aufgaben aufs Vorzüglichste. Klangschlank und beweglich, überaus geschmeidig und homogen sowie sehr intonationssauber wissen sie zu musizieren, die zahlreichen Arien mit solistischer Holzbläserbravour (Oboe, Flöte, Fagott) stimmungserbaulich zu umhüllen. Für Festlichkeit und strahlenden Glanz sorgen dagegen drei überaus vorlaute Trompeten und die knallhart geschlegelten Pauken. Ihr vordergründiges Tönen verbindet sich mit dem forcierten Jauchzen und Frohlocken der Mitglieder der Singakademie zu einer Klangmasse, die lawinengleich alles andere unter sich begräbt. Da müssen sich die „Preußen“ wie in der klanglichen Diaspora vorgekommen sein. Will heißen: Von den Streichern ist kaum noch etwas zu vernehmen. Danach stellt sich mit ihnen die Klangbalance wieder her, können die Choristen frisch und sauber, stimmbeweglich und homogen, dynamisch abgestuft und artikulationsgenau in den Chören von Freude und Jubel künden, von Seelenheil und Glaubensstärke in den Chorälen. Eine famose Leistung.
Auch die von Kai-Uwe Fahnert, dessen ansatzsicherer, genau artikulierender, kraftvoll strömender, textgenauer und ausdruckintensiver Bassbariton Herz und Sinne zu erfreuen versteht. Mustergültig auch sein Rezitativvortrag. Davon hätte sich Masashi Tsuji als Evangelist und Ariensänger mehr als eine Scheibe abschneiden können. Er verfügt über einen kleinen, leicht geführten, koloraturenflinken lyrischen Tenor von erstaunlicher Ausdruckslosigkeit. Der konnte selbst das Continuo (Truhenorgel und Violoncello) nicht auf die Sprünge helfen. Mit mezzosopranistischer Beweglichkeit singt Julia Halfar den mütterlichen Alt-Part mit geradezu jungfräulicher Reinheit und seelenbewegender Schlichtheit. Vibratoreich, in lyrischem Leuchten erblühend („Echo“-Arie) tönt der Sopran von Ulrike Meyer. Dem festlichen Finalgesang folgt anhaltender Beifall. Peter Buske
Peter Buske
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