Kultur: Bestechend rein und gefühlsinnig
Musikfestspiele: Ensemble „Concerto Italiano“
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Musikfestspiele: Ensemble „Concerto Italiano“ Von Peter Buske Werden fromme Gefühle durch Gesang gefördert oder ist die Ohrenlust dem eher hinderlich? Ein Dilemma, in welchem sich die Musica sacra bei ihrem liturgischen Gebrauch bis auf den heutigen Tag gestellt sieht. Gehören Psalmen- und Lobgesänge in ein Konzert, auch wenn es in einer Kirche stattfindet? Schon Kirchenvater Augustinus kam darüber ins Grübeln. Derlei Gedanken mochten gleichfalls manchen bewegt haben, der das Konzert des Ensembles „Concerto Italiano“ mit römischer Kirchenmusik des 17./18. Jahrhunderts in der ganz von italienischem Atem durchwehten Friedenskirche im Park von Sanssouci besuchte. Kurz vor ihrem Finale setzte es den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci noch einmal einen beeindruckenden Akzent. Das von Rinaldo Alessandrini gegründete und geleitete Ensemble besteht aus fünf prachtvollen, ausgesucht charaktervollen Gesangsstimmen, die exzellent zusammenklingen und von Theorbe (Craigh Marchitelli), Harfe (Loredana Gintoli) und Orgelpositiv (Ignazio Schifani) stilkundig und zurückhaltend begleitet werden. Den Ohren wird die lustvollste Freude bereitet. Mit kristallklarer Stimme verkündet Monica Piccinini (Sopran I) die freudige Botschaft des 117. Psalms „Laudate Dominum“ (Lobet den Herrn, alle Völker) von Stefano Fabri. Nach und nach fallen Anna Simboli (Sopran II), Francesco Ghelardini (Altus), Gianluca Ferrarini (Tenor) und Sergio Foresti (Bass) mit ihren bestechend reinen, vibratoarmen, instrumental geführten Stimmen ein. In Fabris Vertonung des 130. Psalms „De profunctis“ (Aus der Tiefe rufe ich, Herr) geht diesmal zuerst der Bass „ins Rennen“, ehe die anderen allmählich freudige Stimmungen verbreiten, was sich durch zunehmende Koloraturenverwendung zeigt. Intensiver Gestaltung dürfen sich auch die Lobpreisungen von Giacomo Carissimi („Timete Dominum“, „Annunciate gentes“) erfreuen, die - so führt es dieser Exkurs eindrucksvoll vor - farbenfroher und verzierungsreicher vertont sind. Ihre polyphonen Verschlingungen führen die Musiker präzise und klangvortrefflich vor. Wieder eine tonsetzerische Entwicklungsstufe weiter, offenbaren sich in „Clamemus ante Deum“ (Wir mögen zu Gott schreien) und „De necessitatibus meis“ (Die Angst meines Herzens ist groß) von Alessandro Melani ein differenziert weiterentwickelter Ausdruck der Stimme. Jede einzelne ist reich ausgeziert, individuell koloriert und leuchtkräftig. Dem „singenden Mund“ gesellt sich ein „glühender Verstand“ hinzu, wie es im Text heißt. Zu einer interessanten Gegenüberstellung von sehr unterschiedlichen „Magnificat“-Vertonungen kommt es im zweiten Teil des Abends. In der Vertonung von Marc-Antoine Charpentier verlangt das von freudiger Erregung erfüllte Bekenntnis „Meine Seele erhebet den Herrn und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes“ nach voluminöserem und beweglicherem Stimmenklang, der auch größere Tonräume auszuschreiten versteht. Kein Problem gleichfalls, dabei auch ausdrucksfromme Gefühle zu verbreiten. Zunächst verinnerlicht und getragen, wird Alessandro Scarlattis „Magnificat“-Sicht anwachsend glanzvoller und strahlender. Konzertante Virtuosität breitet sich aus. Zur Freude des Ohres gesellt sich das Erlebnis des Entstehens frommer Gefühle. Der anhaltende und intensive Beifall kündet davon.
Peter Buske
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