
© Thomas Kummerow
Kultur: Beten statt Parken
Thomas Kummerow fotografiert ungewöhnliche Kirchen in den USA. Do angels have sex?, fragt seine neue Ausstellung in der Potsdamer a/e-Galerie
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Ob Engel Sex haben, weiß niemand so genau. Die Bibel äußert sich eher zurückhaltend und legt nahe, dass Engel überhaupt kein Geschlecht hätten. Dennoch: Wie kommen Engel in die Welt? Heiß diskutiert wird diese Frage in verschiedenen Kirchen in Amerika. Der Fotograf Thomas Kummerow hat sie abgelichtet. Seit 2015 lebt er in New York. „Es gibt eine ungeheure Vielfalt von Kirchen in jedem Stadtviertel“, sagt er. Jede der Kirchen gestalte sich ein eigenes Gotteshaus und versuche deutlich zu machen, dass es sich um ein Sakralgebäude handele. Die USA seien ein tief religiös geprägter Staat. Fast die gesamte Bevölkerung gehöre irgendeiner Kirche an und besuche wenigstens einmal im Monat eine Kirche, so Kummerow. Was aber eine gewisse Bigotterie nicht ausschließt, wie der bekennende Christ Donald Trump im aktuellen Wahlkampf in den USA gerade eindrucksvoll demonstriert.
Allein stehende, für die Gemeinde gebaute Gotteshäuser, wie in Europa üblich, sind eher selten. Aber es gibt sie. In Manhattan etwa wirkt die älteste Kirche mittlerweile wie ein Spielzeughaus, eingezwängt zwischen Hochhäusern, die sich etliche Stockwerke höher neben der Kirche in die Höhe türmen.
Meistens würden existente Gebäude für kirchliche Zwecke umgewidmet, erklärt Kummerow. So kommt die „Jerusalem Church without walls“ tatsächlich ohne Wände aus und befindet sich in einem ehemaligen Ladengeschäft. Auch die „Kingdom Builders Ministries Inc“ ist nur an dem handgemalten Plakat erkennbar, das über dem mit einer Jalousie verschlossenen Raum hängt. Die Gemeinde einer anderen Kirche versammelt sich in einem Parkhaus. Michelangelos Darstellung der Erschaffung Adams ziert die Wände. Ebenso vielfältig wie die Kirchen sind offenbar auch die Pastoren. „Das ist jeden Montag ein richtiges Rockkonzert“, beschreibt Kummerow einen Gottesdienst, der immer Punkt Mitternacht startet. Ein Pastor zelebriert die Messe und auch Predigten und Lesungen gibt es während der Zeremonie. Entscheidend aber ist für Kummerow das Gesamtkunstwerk der Messe, die sich aus Heavy-Metal-Klängen, Gospel-Einlagen und schon auch mal traditionellen, aber verrockten Kirchenliedern zusammensetzt. Viele der Songs der Messe schreibe der Pastor selbst. Eines von Kummerows Bildern zeigt den mittlerweile etwas älteren Kirchenmann: wallendes Haar und ebensolche Gewänder. Eine Reihe vor ihm aufgebauter Mikrofone sorgt für die richtige Akustik. „Kirchen in Amerika werden in der Regel nicht steuerlich unterstützt. Das sind Wirtschaftsunternehmen“, weiß Kummerow. Dementsprechend lasse der Pastor nach der Messe den Klingelbeutel kreisen. Von dem, was sich dort sammelt, und von weiteren Spenden muss dann die Kirchengemeinde leben. Der Rockprediger habe so ein recht einträgliches Einkommen, denn die Gottesdienste seien ziemlich mitreißend und bestens besucht, berichtet der Fotograf. Der Wettbewerb unter den Kirchen, nicht nur um die Gläubigen, sondern auch ums Geld, beflügelt offenbar die Liturgie.
Anders ist es nur bei der katholischen Kirche, die von Rom aus alimentiert wird. Das allerdings sei dringend nötig, sagt Kummerow, denn auch in Amerika hätten zahlreiche Kirchenskandale entsprechende Prozesse nach sich gezogen. „Aber anders als in Europa geht es bei Klagen wegen Kindesmissbrauch dann gleich um Millionensummen.“ Daher sei die katholische Kirche in den USA so gut wie pleite. Nicht jede Kirche benötigt ein festes Gebäude. Es gibt auch gleichsam „fliegende Pastoren“. „Homeless Temple“ betitelt Kummerow einen selbst ernannten Pastor, der mit seinem voll gestapelten Einkaufswagen durch die Straßen der Weltmetropole zieht. Zerknautschtes Gesicht, wetterfeste Kleidung, zahlreiche Pappkartons, die sich in dem Wagen stapeln. „Aber er hat immer einen Dollar übrig, für jemanden, von dem er glaubt, dass er das Geld nötiger hat als er selber.“ Richard Rabensaat
a/e-Galerie, Charlottenstraße 13,
14467 Potsdam
Richard Rabensaat
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