zum Hauptinhalt

Kultur: Beziehungsreich

Letzte „Dornenzeit“ in der Friedenskirche

Stand:

Seit Wochen wird man in den Supermärkten erschlagen mit Schoko-, Plüsch- und Plaste-Osterhasen, Ostereiern in allen süßen Varianten, Osternestern, Osterfarben und Ostergeschenken. Fast erscheint es einem, also ob die Oster-Süße die seit dem letzten Spätsommer omnipräsente Weihnachts-Süße nahtlos abgelöst hatte. Und es würde wahrscheinlich die gleiche konsumverschärfende Hektik ausbrechen, wenn nicht, ja, wenn es da nicht um den Tod und das Leben ginge, insbesondere um jenen schreckensvollen Tod, der immer wieder vom Leben kündet.

Und das lässt uns dann doch innehalten, immerhin ein wenig. Sich zu erinnern, sich der Wehmut, der Trauer, der Chance zur Besinnung bewusst zu werden, gibt es Gelegenheit in diesen Wochen. Eine Stunde der Ruhe, des nachdenklichen, beziehungssreichen Wortes und der ergreifenden wie kraftvoll auszeichnenden Musik bot die letzte Veranstaltung der „Dornenzeit – Musik und Texte zur Passion“ in der Friedenskirche Sanssouci am Wochenende. Klaus Büstrin las aus dem Buch des Propheten Jesaja, eigene Betrachtungen über unsere oftmals so sinn- und ziellosen Wege „von Pontius zu Pilatus“, ließ die ergreifende und bedrängende Situation, da Jesus vor eben jenen skrupellos-ängstlichen Pontius Pilatus geführt wurde, eindringlich mit den Worten des Evangelisten Johannes erstehen.

Korrespondierend dazu spielte Matthias Trommer auf der Woehl-Orgel Franz Liszts Orgelmesse, die Toccata chromatica von Girolamo Frescobaldi und die Toccata e-Moll von Max Reger. Besonders eindringlich gestaltete sich seine Interpretation von Ruth Zechlins 1973 entstandenem „Spektrum für Orgel“. Gesprochenes Wort und instrumentaler Klang verbanden sich einfühlsam und einprägsam zu einem das Nachsinnen anregenden Ganzen.

Wo kein Herz ist, müsse die Liebe kapitulieren, formulierte der Vorleser. Es sei ein vergebliches Bemühen, ein Laufen, das ein Stehenbleiben ist. Doch die Geschichte um Pontius Pilatus zeigt auch, dass es ebenso vergeblich ist, wenn ein verderbtes Herz in Angst erstarrt, wenn Feigheit vor rasendem Wahnsinn des Mobs auf der Straße (ge)rechtes Handels verhindert. Dann ist es sinn- und zielloses Laufen, Suchen, Hoffen.Ch. Siegfried

Ch. SiegfriedD

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })