Kultur: Biedermeierlich Amarcords „Rastlose Liebe“ im Nikolaisaal
Mit einem Spaziergang durch das romantische Leipzig begann das fünfte Konzert der „Vocalise“. Auf den Flügeln des Gesangs präsentierte das Leipziger Vokalensemble „Amarcord“ im sehr übersichtlich besetzten Nikolaisaal Teile aus seiner CD „Rastlose Liebe“.
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Mit einem Spaziergang durch das romantische Leipzig begann das fünfte Konzert der „Vocalise“. Auf den Flügeln des Gesangs präsentierte das Leipziger Vokalensemble „Amarcord“ im sehr übersichtlich besetzten Nikolaisaal Teile aus seiner CD „Rastlose Liebe“. Für diese Produktion gab es im Jahr 2010 mehrere Auszeichnungen, darunter einen Echo-Klassik-Preis. Was auf dem Tonträger facettenreich und brillant klingt, kam jedoch an diesem Abend ziemlich matt und gedämpft herüber. Ob es an der Bühnentechnik lag, am fast durchgehenden Gesang in piano, an der Auswahl der Stücke oder an anderen Unbilden, muss offen bleiben.
Die nur noch fünf Herren des seit fast zwanzig Jahren existierenden Ensembles verfügen über ausgefeilte Gesangstechnik mit lupenreiner Intonation und klarer Artikulation. Diese kommt natürlich besser bei Kleinoden der Vokal-Polyphonie zur Geltung als bei Gesängen der Romantik und Folksongs wie in diesem Konzert. War der Einstand mit den „Minnesängern“ noch schlicht im unisono, folgten alsbald Kostproben höherer Sangeskunst aus Robert Schumanns Liederzyklus op. 33. Während die „Rastlose Liebe“ nach einem Gedicht von Goethe noch unauffällig vorbeizieht, streift die „Lotosblume“ mit ausgefallenen Harmonien ferne Gefilde der Tonalität, zumal für Gesang. Filigran gearbeitet und abwechslungsreich erklingen die „Frühlingsglocken“ im Wechsel von Solo-Stimme und instrumentalisierender Glockenklang-Begleitung mit Echoeffekten. Der feine Tenorgesang von Wolfram Lattke verleiht der nächtlichen Serenade Glanz und Intensität, doch die summende Quartett-Begleitung wirkt einfach nur niedlich.
Vollends in den Biedermeier führen possierliche Lieder der Leipziger Kleinmeister Friedrich Rochlitz, Adolf und Heinrich Marschner sowie Friedrich Haug mit hausbackenem Flair. Immerhin die Lieder von Felix Mendelssohn zeigen einiges an Grandezza, Weltoffenheit und Humor. Verblüffend die kuriose Vertonung von Goethes abgründigem „Zigeunerlied“ mit den bemerkenswerten Zeilen: „Wille wau wau wau! Wille wo! Wito hu!“
Quasi als Gegenprogramm zur Feier der Heimat folgt eine vokale Weltreise von Skandinavien über Korea bis Kuba. Abgesehen von den gesanglichen Qualitäten überwiegen hier humoristische Elemente, die jedoch nicht direkt hinreißen. Da miauen die Katzen im Lied von Edvard Grieg, steigt die Stimme bis in Countertenorhöhen im irischen Liebeslied, ergötzen die Herren mit Scat-Gesängen von schwedischer bis asiatischer Provenienz. Erstmalig beim „Put vejini“, Lettlands heimlicher Hymne während der russischen Besetzung, ziehen die Sänger größere Register auf und zeigen, dass sie mehr als feinnerviges piano singen können. Der zustimmende Applaus wird mit zwei Zugaben bedankt. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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