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Kultur: Biertrompeten

Die Electronic-Band Supershirt im Spartacus

Stand:

„Ich habe nur eins. Aber Timo Katze, der Haarige, hat ganze drei Nasenhaare mit einem Mal gezogen. Das ist ja, das ist ja mehr als tight! Applaus!“ Faxe System steht auf der Bühne und zeigt sichtlich stolz auf seinen Bandkollegen von Supershirt. Das hatten sie so lange im Tourbus trainiert, berichtet er. Nun, bei Ihrer Liveshow am Donnerstagabend im Spartacus in Potsdam scheint die Nasenhaarzieh-Nummer hervorragend funktioniert zu haben. Ein blondes Mädchen in der fast leeren ersten Reihe senkt etwas verschämt und angeekelt den Kopf. Ihr Freund hingegen klatscht wild. Überhaupt zeigen sich die Qualitäten der Rostocker Electronic-Band Supershirt vor allem in frei erfundenen Kategorien wie dem „Biertrompetensolo“. Dazu die Bierflasche erst einmal leeren, dann hochheben und Trompetensolo antäuschen. Applaus! Da gibt es keine musikalische Konkurrenz und viel Platz für Selbstironie.

Jene war an diesem Abend auch schwer nötig, denn auch nachdem der Konzertbeginn um etwa eine Stunde heraus gezögert worden war, wollte sich der Saal nicht richtig füllen. Da mussten erst pfeffrige Partybeats über die Tanzfläche gefeuert und knallbunte Lichteffekte eingesetzt werden, um für eine richtige Diskoatmosphäre zu sorgen. Die vereinzelten Fans wussten diese auch sichtlich zu schätzen. Ihre Trommelfelle zitterten unter den vibrierenden Synthesizertakten. Wie Flummis sprangen sie auf der Stelle. „Blau für die Mädchen, Pink für die Jungen, alles für jeden und Bretter für die Dummen.“ Die eindringlichen, simplen Textzeilen von ihrem dritten Album „Kunstwerk“ laden zum Mitrappen ein. Dabei sorgen sie trotz ihrer Einfachheit für Gesprächsstoff bei einem Bier am Tresen. „Wir laufen mit geschlossenen Augen ins offene Messer. Wir hoffen und glauben, irgendwann wird es besser.“

Die Lieder von Supershirt erzählen unter anderem vom zu Grunde gehen in „Besser scheitern“, von dem Liebesleben unerreichbaren Kiezköniginnen in „Prinzessinnenbad“ oder von nostalgischen Schulzeiterinnerungen in „Strawberry High“. Dabei sind die Textzeilen genauso wenig ernst zu nehmen, wie jedes Wort der drei Neuberliner. Ein komödiantischer Glanzpunkt dieses Konzerts war sicherlich die ironische Darbietung eines improvisierten Reggeasongs. Auf charmante Art imitierte der Frontsänger Faxe System die aus Jamaika stammende Musik so, dass sich wegen seinem Mangel an musikalischer Ernsthaftigkeit keiner das Lachen verkneifen konnte. Während des ganzen Abends wurde man aber das Gefühl nicht los, dass nicht vielleicht doch Frittenbude oder Egotronic, zwei weitere Pferde aus dem Musikponyhof des Independent-Labels Audiolith, auf der Bühne stehen. Große stilistische Unterschiede scheint es jedenfalls nicht zu geben. Dennoch „Kunst ist, wenn nicht alle klatschen“, wie es in einem Lied von Supershirt heißt. Friederike Haiser

Friederike Haiser

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