Von Dirk Becker: Bilder aus dem Bunker
Neue Bilder, neue Ausstellung – Clemens Porikys, Lisa Ritscher und Änna Fitzner mit „Red Wall“
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Immer wieder ist da die Rede von einer „Zeitreise“ und von einem „ganz besonderen Miteinander“. Von einer „Parallelwelt“, einer „modernen Rock’n’Roll-Hippie-Höhle“ und von einem Gefühl, das einen nur „mitreißen“ kann, von dem man sich „treiben lässt“. Erzählt Clemens Porikys von diesem Wochenende in Kopenhagen im Frühjahr 2009, wo er zusammen mit Henrike Dessaules ein paar Tage mit der Band The Setting Son nach einem ihrer Konzerte verbrachte, klingt das wie ein Märchen. Zwar schön, aber irgendwie auch zu schön, um wahr zu sein. Da hat sich wohl einer zu sehr begeistern lassen.
Schon während des Konzerts von The Setting Son hatte Clemens Porikys mit dem Fotografieren begonnen. Nach dem Auftritt sei man ins Gespräch mit den Musikern gekommen, von denen einige Henrike Dessaules schon kannte. „Dann sagte einer von der Band: Los, ihr kommt jetzt mit“, erzählt der 25-jährige Porikys. Die Chemie untereinander habe einfach gestimmt, also sei man mitgegangen, habe so den „Bunker“ entdeckt und ist einfach abgerutscht in den Rock’n’Roll. „Ich habe dabei viel fotografiert, wollte am liebsten alles mitnehmen, was ich da gesehen und erlebt habe“, so Porikys. Die Bilder, die Clemens Porikys von dieser „Zeitreise“ gemacht hat, sind ab dem kommenden Dienstag, dem 18 Januar, in der neuen Ausstellungsreihe „Red Wall“ im Waschhaus zu sehen. Umrahmt werden die Fotografien von zwei Texten, die Henrike Dessaules geschrieben hat.
Bei dem „Bunker“ handelt es sich tatsächlich um einen ehemaligen Luftschutzbunker, der in einem Park, mitten in Kopenhagen steht. Oder besser gesagt, tief ins Kopenhagener Erdreich geht. Seit wohl zehn Jahren schon lebt ein Teil der Musiker von The Setting Son in diesem „Bunker“. „Im Park steht da dieser kleine Holzschuppen. Man klingelt an der Tür und irgendwann wird einem geöffnet“, erzählt Porikys. Und wer Glück hat, darf die Treppen hinabsteigen in diese „Parallelwelt“.
Clemens Porikys schwärmt viel von diesem Leben im „Bunker“ zwischen Party, Bandproben und Konzerten. Von dem herzlichen Umgang miteinander, der Toleranz und Offenherzigkeit, dass er glaubte, er befinde sich in den 60er und 70er Jahren. Und je mehr er schwärmt, umso skeptischer wird man. Doch dann holt er sein iPhone hervor und zeigt eine Auswahl seiner Bilder aus dem „Bunker“, die ab Dienstag im Flur des Waschhauses zu sehen sein werden. Und schnell wird einem klar, dass da einer zu recht schwärmt, sich zu recht hat so begeistern lassen.
Es sind Schwarz-Weiß-Fotografien, die das Treiben im und um den „Bunker“ zeigen. Und Clemens Porikys ist es gelungen, mit seinen Momentaufnahmen eine Ahnung zu transportieren, die stark genug ist, dass seine Worte wie „Zeitreise“ und ein „ganz besonderes Miteinander“, „Parallelwelt“ und „moderne Rock’n’Roll-Hippie-Höhle“ Leben bekommen und man beim Betrachten dieser Bilder nach einer gewissen Zeit selbst Gefahr läuft, wie Porikys selbst, in den Rock’n’Roll abzurutschen.
Zwei Monate lang werden diese Bilder nun in der Reihe „Red Wall“ im Waschhaus zu sehen sein. Danach ist der nächste junge Künstler an der Reihe, der den rot gestrichenen Treppenaufgang im Waschhaus als ungewöhnlichen Ausstellungsort nutzen kann. „Für vorerst ein Jahr ist ’Red Wall’ geplant“ sagt die 24-jährige Lisa Ritscher vom Waschhaus, die zusammen mit Clemens Porikys und Änne Fitzner die neue Ausstellungsreihe entwickelt hat. Angefangen hat es mit der Konzertreihe „Rubys Tuesday“ und früheren Bildern von Clemens Porikys.
Der erste „Rubys Tuesday“ fand auf der kleinen Bühne im Waschhaus-Club Anfang November 2008 mit DJ Pasi und der Potsdamer Band Dreadnought als Unplugged-Act statt. Seither waren 115 Veranstaltungen immer dienstags mit etwa 130 Künstlern zu erleben. Ein Teil der Auftritte hatte Porikys fotografiert und im November 2009 zum einjährigen Jubiläum der Konzertreihe im besagten Treppenaufgang unter dem Titel „Rubys Photographs“ gezeigt. Die geplante Ausstellungsdauer betrug zwei Monate. Doch weil die Gäste von den Bildern so begeistert waren, hingen sie dann ein ganzes Jahr. Als Lisa Ritscher, Änne Fitzner und Clemens Porikys die Bilder endlich abnahmen, erschraken sie vor der plötzlich kahlen Wand. Und nicht nur sie. Auch viele Gäste fragten, was denn aus den Bildern geworden sei. Um diese Fehlstelle zu füllen, gibt es nun „Red Wall“.
„Häng dein Talent an die rote Wand!“ ist das Motto von „Red Wall“. Gleichzeitig ist es als Aufforderung zu verstehen, sich für den Ausstellungsraum Treppenaufgang zu bewerben. „Uns geht es darum, junger und noch nicht etablierter Kunst einen Raum zu geben“, sagt Lisa Ritscher. „Es geht auch darum, dass die Leute das Waschhaus mit gestalten. Und niemand muss extra Eintritt dafür bezahlen“, fügt die 23-jährige Änna Fitzner hinzu, die für die Grafik bei „Red Wall“ verantwortlich ist. Bewerben könne sich jeder, selbst wenn er glaubt, seine Bilder, Fotografien oder Grafiken würden dort vielleicht nicht passen. „Dann erst recht“, sagt Porikys. Einzige Voraussetzung sei, dass das Gezeigte in einem Zusammenhang stehe, eine Art Geschichte erzähle. Und vielleicht wirken sie auch so faszinierend wie die Fotografien von Clemens Porikys, dass man dann sehr gut nachvollziehen kann, wenn Henrike Dessaules für die Ausstellung schreibt: „Der Bunker hinterlässt bei jedem Spuren. Egal, ob du etliche Male hier verbracht hast oder nur ein Wochenende, es verändert dich. Am Anfang bist du fasziniert, dann stößt es dich ab, und schließlich stellst du fest, dass du immer lieber hier wärst als irgendwo anders...“
Vernissage von „The Setting Son“ zur Eröffnung der Reihe „Red Wall“ am kommenden Dienstag, dem 18. Januar, um 20 Uhr im Waschhaus in der Schiffbauergasse. Im Anschluss sind ab 21 Uhr Anna Fischer und Markee auf der Bühne von „Rubys Tuesday“ zu erleben. Bis 22 Uhr ist der Eintritt frei. Weitere Informationen unter
www.redwall-art.de
Dirk Becker
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