Von Dirk Becker: Bilder dieser Stadt
Siegfried Lieberenz hat dem Potsdam-Museum seine 33 000 Stücke umfassende Sammlung geschenkt
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Von Trennungsschmerz war am Freitag bei Siegfried Lieberenz nichts zu spüren. Obwohl er sich von seinem Lebenswerk, wie er es nennt, verabschiedet hat. Seine in den vergangenen 50 Jahren zusammengetragene Potsdam-Sammlung, bestehend aus Fotografien, Büchern, Festschriften, Zeitungen und Modellbauten, hat Siegfried Lieberenz dem Potsdam-Museum geschenkt. Am gestrigen Freitag stellte er im Beisein von Jutta Götzmann, Direktorin im Potsdam-Museum, und Markus Wicke, Vorsitzender im Förderverein des Potsdam-Museums, ein paar wenige Exemplare aus der etwa 33 000 Stücke umfassende Privatsammlung im Alten Rathaus vor.
Die vier Bücher, darunter Friedrich Mielkes zwei Bände über „Das Bürgerhaus in Potsdam“ aus dem Jahr 1972, die heute mittlerweile einen antiquarischen Wert von 400 Euro haben, Zeitungen, Schwarzweißfotografien und die Originalskulptur zweier sogenannter Kopfstandechsen von historischen Potsdamer Straßenlaternen, konnten nur eine Ahnung von dem Umfang der Sammlung geben, die nun im Besitz des Potsdam-Museums ist. Über 20 000 historische Postkarten, über 3000 Fotografien, über 800 Bücher und andere Raritäten hat Siegfried Lieberenz über Potsdam zusammengetragen. Und schon ein Blick auf die wenigen gezeigten Fotografien machte deutlich, dass Lieberenz seine Sammlung mit der Korrektheit eines Buchhalters führte. Jedes Foto, vor allem Häuser in Potsdam, ist auf ein Blatt Papier geklebt worden und dann mit dem Jahr der Aufnahme, einer genauen Orts- und Hausnummerbezeichnung beschriftet.
Museumsdirektorin Jutta Götzmann bezeichnete die so katalogisierte Sammlung als hervorragend aufbereitet, weil so allein die über 3000 Fotografien, eingeteilt nach den Stadtteilen und sortiert in 27 großen Karteikästen, ein fast schon unersetzliches Dokument zur Baugeschichte in Potsdam seit den 1960er Jahren seien. Markus Wicke vom Förderverein des Potsdam-Museums, in dem auch Lieberenz seit einigen Monaten Mitglied ist, nannte die Schenkung ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. Neben dem materiellen Wert zähle aber vor allem die ideelle Geste, dass hier ein Privatmann das öffentliche Museum unterstützt. Vor 100 Jahren sei das Potsdam-Museum von Bürgern dieser Stadt gegründet worden. In deren Traditionslinie stelle sich nun Lieberenz, so Wicke.
Das Lob nahm der 74-jährige Sammler mit unbewegter Miene hin. Lieberenz sprach lieber über seine Stadt, der noch immer sein Engagement gilt. Er wurde 1935 in Potsdam geboren, hat als Zehnjähriger in einem Bunker die verheerende Bombennacht von 1945 überlebt und kurz nach dem Krieg damit begonnen, die Stadt zu fotografieren. Als gelernter Stuckateur entwickelte er nicht nur einen besonderen Blick, sondern auch ein besonderes Interesse für die Architektur seiner Heimatstadt, wo er in zahlreichen historischen Gebäuden wie dem Alten Rathaus und der Nikolaikirche gearbeitet hat. So hat er in den vergangenen 50 Jahren jede kleine Veränderung mit seiner Kamera festgehalten und dokumentiert. Lieberenz will mit seinen Bildern bei den „Neupotsdamern“ vor allem eine Verständnis für die historische Innenstadt wecken, die einmal die „geschlossenste Barockstadt in Europa“ gewesen sein soll. Dazu gehören auch seine Modelle von historischen Gebäuden, darunter die Garnisonkirche, die Lieberenz noch immer baut.
Den Ausschlag für die Schenkung haben Lieberenz’ Töchter gegeben. Die wollten damit nichts zu tun haben und hatten ihn gebeten, rechtzeitig alles zu klären. So hatte sich Lieberenz im vergangenen Jahr schon von seiner 800 Stücke umfassenden Mineraliensammlung getrennt und sie dem Potsdamer Naturkundemuseum geschenkt. Und nun die über 33000 Exponate seiner historischen Potsdam-Sammlung. „Ich weiß jetzt, dass die Sammlung in guten Händen ist und mit ihr auch gearbeitet wird. Somit ist mein Lebenswerk nicht umsonst gewesen“, sagte Lieberenz. Bei solchen Aussichten fällt der Abschied dann auch nicht schwer.
Dirk Becker
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