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Kultur: Bilder von anrührender Eindringlichkeit

Haydns Marionettenoper „Philemon und Baucis“ im Schlosstheater im Neuen Palais

Stand:

Geradezu verschwenderisch sei die Ausstattung der deutschen Marionettenoper „Philemon und Baucis oder Jupiters Reisen auf die Erde“ gewesen, die Fürst Nikolaus I. Esterhazy anno 1773 anlässlich des Besuchs der österreichischen Kaiserin Maria Theresia von seinem Hauskapellmeister und Hofkomponisten Joseph Haydn im neuerbauten Marionettentheater seiner Residenz in Esterhaza aufführen ließ. Die Bühne, so ist es überliefert, sei „ziemlich geräumig, die Dekorationen überaus niedlich, auch die Puppen sehr gut gemacht und prächtig gekleidet“ gewesen. Das lässt sich auch von der mit den Haydn-Festspielen Eisenstadt produzierten Musikfestspiele-Inszenierung durch Christopher Leith, Puppenspieler und Direktor des Little Angel Theatre London, berichten, die am Sonnabend im Schlosstheater ihre Premiere erlebte.

Der Text des anrührenden, mit witzigen Anspielungen nicht sparenden Bühnenwerks für Sänger, Sprecher, Puppenspieler, Chor und Orchester, das sich mit dem Vorspiel „Der Götterrat“ einleitet, stammt von Gottlieb Konrad Pfeffel und geht teilweise auf die in Ovids „Metamorphosen“ überlieferte Sage des glücklichen und frommen Greisenehepaares Philemon und Baucis zurück. Die textlichen wie musikalischen Originalquellen dazu sind so gut wie verschollen, so dass Trevor Pinnock und Christopher Leith aus Abschriften und Bearbeitungen eine moderne Spielversion schufen. Nachdem zur Einleitung der erste, von der Akademie für Alte Musik Berlin unter Leitung von Olof Boman rasant und federnd, bisweilen überakzentuiert musizierte „Adagio maestoso.Allegro di molto“-Satz aus der C-Dur-Sinfonie Nr. 50 von Haydn verklungen ist, erblickt man in stilisierter Szenerie gleichsam einen Dreiklang der Elemente. Auf einem Spielpodest erhebt sich eine Bergspitze mit rotierender Erdkugel im Hintergrund, darüber eine Wolke mit Vorhang, in der die Götter ihren Rat abhalten, ob und wie sie die verderbte Menschheit per Wasserflut und Blitz auslöschen können. Über allem thront ein Feuerball. Weitere zwei Sinfoniesätze, vibratolos gespielt und straff artikuliert, sorgen für weitere Stimmung und Spannung.

Witzig sind die von schwarz gekleideten Schauspielern gesprochenen Dialoge sowohl der Menschen als auch Götter, wie der rebellischen Diana, dem zerstörungswütigen Mars, der zickigen Venus. Jupiters Entschluss: zusammen mit Götterbote Merkur inspiziert er die Erde. Die Gastfreundschaft und Frömmigkeit der beiden Alten besänftigen ihn: gerührt erweckt er deren Sohn Aret nebst Braut Narcissa zu neuem Leben. Staunend sieht der Zuschauer nicht nur den diversen Verwandlungen zu, sondern auch der künstlerisch-optischen Verschmelzung aller Beteiligten. Da wirken die Gliederpuppen – sowohl an Fäden bewegte Marionetten als auch hand- und stabgeführte Puppen – wie lebendige, kleine Menschen: anmutig in ihren Bewegungen und Gesten, ihrem mienenstarren, doch so sprechenden Ausdruck. In anrührenden Arien, Duetten und Szenen träumen sie von einer besseren Welt mit „beglückender Tugend und Redlichkeit“. Dann stehen exzellente Vokalsolisten an ihrer Seite: der konturenfeste Tenorlyriker Lothar Odinius (Philemon), der ausdrucksstarke Mezzo von Ruth Sandhoff (Baucis), die sopranliebliche Ruby Hughes (Narcissa) und der kraftvoll-freundliche Tenor Magnus Staveland (Aret). Grandios, wie letztere bei ihrem Liebesduett tatsächlich aufeinander zufliegen, sich ineinander verschlingen. Zum finalen Hochzeitsschmaus gibt’s – was für eine Pointe – jene gebratene Gans, die einst als Opfergabe für Jupiter bestimmt war, sich aber (sehr effektvoll) nicht fangen ließ.Peter Buske

Peter Buske D

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