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Kultur: Bilderlust – Schaulust

Fritz Langs Jahrhundertfilm „Metropolis“ im Nikolaisaal

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Einer der großartigsten Filme, die in den Babelsberger Studios gedreht wurden, ist „Metropolis“ von Fritz Lang. Im ausverkauften Nikolaisaal zeigte sich am Freitagabend, wie groß das Interesse am Gesamtkunstwerk Metropolis bis heute ist. Denn die im Jahr 2008 gefundenen Sequenzen machen den Film um fast eine halbe Stunde länger als die bislang vorhandenen Fassungen. Unter der souveränen Leitung von Helmut Imig brachte das Deutsche Filmorchester Babelsberg gemeinsam mit dem Sinfonieorchester des Kroatischen Rundfunks die Partitur von Gottfried Huppertz zum Klingen. Nicht zuletzt die Musik, deren Großteil während der Dreharbeiten von 1925 und 1926 in enger Zusammenarbeit mit dem Regisseur entstand, steigert die monumentale Wirkung des Films ungemein.

„Metropolis“ war nicht nur in finanzieller Hinsicht ein gigantisches Projekt. Die Massenszenen, Hochhauskulissen, Maschinenbilder, Katastrophenbilder mit Blitz, Dampf und Wasser, Großaufnahmen von Gesichtern und Tricksequenzen stellten alles Bisherige in den Schatten. Wie ein Spiegel in das Zuschauerrund der ersten Filmbetrachter wirkt die Szene mit aufgerissen schauenden, unendlich vervielfältigten Augäpfeln – Schaulust, die sich selbst reflektiert. Nicht nur hier erscheint „Metropolis“ als illustriertes Menetekel des 20. Jahrhunderts. Das neue Babylon wird von einem Tyrannen in Gestalt eines Kapitalisten beherrscht. In der Tiefe hausen versklavte, namens- und gesichtslose Arbeiter, die zwar keinen Führer, aber eine Führerin und Erlöserin anbeten und zu willigen Werkzeugen einer vermeintlich höheren und besseren Macht werden. Wie die Lemminge rasen die Massen hinter der Madonnengestalt der Maria her, wie die Kinder tanzen sie einen wilden Ringelreihen nach der Zerstörung der Herzmaschine, dem technischen Zentrum der Megalopolis.

Die Musik dazu zeigt sich als heterogene Stilmixtur auf der Basis vollmundiger spätromantischer Symphonik. Zum gleichförmigen Einzug der Arbeiter ertönt düstere Marschrhythmik, helle Fanfaren erklingen im Stadion der Söhne in der Oberwelt, während diese in den „Ewigen Gärten“ von jungen Rokokonymphen bei Walzerklängen zum Plaisir eingeladen werden. Als Maria mit den Kindern auftritt und bei Freder, dem Schönling und obersten Sohn, Liebesgefühle aufkeimen, klingen Solo-Viola, Violine und Cello allerliebst. Harfentöne perlen, wenn Freder ein weiches Herz zeigt und den von seinem Vater entlassenen Büroleiter bei sich einstellt. Montage und Trick machen es möglich, dass die Statuen der Sieben Todsünden bedrohlich lebendig werden, während der Tod beim Klang einer mittelalterlichen „Dies irae“-Hymne seine Sense schwingt. Dagegen hört man zum Arbeiteraufstand den Beginn der Marseillaise. Als der Erfinder Rotwang mit Maria huckepack auf dem Dachfirst rauft, zittern die Streicher im Tremolo dazu, was ein Kritiker der Premiere im Berliner Ufa-Palast 1926 als Verlegung des musikalischen Schauplatzes „in die Seele der entsetzensgelähmt Hinaufstarrenden“ lobte.

Im dritten und letzten Teil, der mit „Furioso“ betitelt ist, steigert sich die Musik ins Bombastische. Strömende Wasserfluten markieren den visuell-musikalischen Kulminationspunkt. Das Wasser sprudelt da nicht nur konkret, sondern auch im literarischen Sinn als mythologisch aufgeladene Metapher. Bis zum Schluss der zweieinhalbstündigen Aufführung halten Musiker beider Orchester und ihr Dirigent Helmut Imig bravourös durch. Mit begeistertem Beifall endet diese einmalige Aufführung. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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