zum Hauptinhalt

Kultur: Bildungsunterstützung durch einen Bildungsunwilligen

Ulrich Plenzdorf beim Auftakt „Bildungsaktionäre gesucht“ in der Stadt- und Landesbibliothek

Stand:

Ulrich Plenzdorf beim Auftakt „Bildungsaktionäre gesucht“ in der Stadt- und Landesbibliothek Dirk Becker Schon bevor die ersten offiziellen Worte am Mittwochabend gesprochen wurden, ging es zwischen den zur Hälfte besetzten Stuhlreihen im obersten Stockwerk der Stadt- und Landesbibliothek munter her. Die üblichen Verdächtigen hatte man am Wickel. Für das Stadtschloss, den Wiederaufbau Garnisonkirche oder den Stadtkanal, dafür sei Geld vorhanden. Und wie stehe es eigentlich mit Fördergeldern für den Aufbau Ost? Anstatt irgendwelche Feldwege zu pflastern, könne das Geld doch der Bibliothek zu Gute kommen. Die Stadt- und Landesbibliothek blickt schon länger in eine ungewisse Zukunft. Das Hin und Her um ein gesichertes Fortbestehen scheint zumindest ab kommenden Dienstag erst einmal vorbei. Dann soll der Vertrag unterschrieben werden, der festlegt, dass die Bibliothek weiterhin zur Stadt und dem Land gehören soll. Doch an einem fehlt es trotzdem. Dem nötigen Geld. Mit Hälfte des jährlichen Etats muss die Bibliothek wirtschaften. Das reicht hinten und vorne nicht. Doch jammern, das hat die Belegschaft schnell begriffen, hilft hier nicht weiter. Mit der Aktion „Bildungsaktionäre gesucht“, zu deren Eröffnungsveranstaltung am Mittwoch der bekannte Schriftsteller und Drehbuchautor Ulrich Plenzdorf gekommen war, geht der Förderverein Potsdamer Bibliotheksgesellschaft e.V. in die Offensive. Der Benutzer oder einfach nur Buchliebhaber kann ein oder mehrere Bücher oder Geld der Bibliothek spenden und so dazu beitragen, dass die Bestandslücken in den Regalen nicht zu groß werden. In den Buchhandlungen Alexander v. Humboldt, Das internationale Buch und Bruno H. Brügel liegen Wunschlisten aus. Wer spendet, der erhält eine Bildungsaktie und kann, wenn er denn will, seinen Namen im gesponserten Buch verewigen lassen. Ob Ulrich Plenzdorf zum Bildungsaktionär wurde, das verriet er an diesem Abend nicht. Mit der Bildung, so erklärte der 69-Jährige, da habe er früher schon so seine Probleme gehabt. Paul Werner Wagner, Vorsitzender des Künstlerklubs „Die Möwe“ und Leiter des Wilhelm-Fraenger-Instituts Berlin, hatte sich vorgenommen, Plenzdorf nach „Jugendbildern“ in den Büchern und Filmen des Autors zu befragen. Doch Plenzdorf wollte sich darauf so recht nicht einlassen. Ob nun die junge Lehrerin im Film „Karla“, der im Anschluss an das Gespräch gezeigt wurde oder Edgar Wibeau aus „Die neuen Leiden des junge W.“, Plenzdorf erklärte die Motive für die Darstellung dieser jungen Menschen damit, dass er durch Zeitungsartikel auf sie aufmerksam wurde. Auf mehr ließ er sich nicht ein. Das Interpretationsgewüte überlässt er lieber überfüllten Germanistikseminaren. Plenzdorf will nur gute Geschichten erzählen. So ließ ihn Wagner gewähren und der Abend wurde zur angenehmen Plauderei aus dem Leben des Autors Plenzdorf. Als junger Heißsporn, wie er sich bezeichnete, frisch von der Filmhochschule zur DEFA, wo er dann begann, was zu seinem „Hobby“ werden sollte: kräftig an den heiligen Säulen der DDR-Politik zu klopfen. Plenzdorf ein Sturkopf, der sich weigerte, in seine Drehbücher politische Vokabeln aufzunehmen und sich so manchen Stein ins Weg legte. Doch er hatte Erfolg. Ob nun Filme wie „Die Legende von Paul und Paula“ oder „Insel der Schwäne“, das Buch „Die neuen Leiden des junge W.“ mit dem Plenzdorf in Ost und West erfolgreich war und ist, er wurde einem Millionenpublikum zum Begriff. Dass ausgerechnet er, der die Vermittlung von Bildung in seiner Jugend als etwas Fürchterliches empfand, heute mit seinem „jungen W.“ zur Pflichtlektüre an den Schulen geworden ist, erstaune ihn noch immer. Ulrich Plenzdorf, ob in seinen Geschichten, Filmen oder an diesem Abend, er ist ein geborener Erzähler. Obwohl er sich selbst lieber als geborenen Drehbuchautor bezeichnete, der selbst, wenn er Bücher lese, fast nur in Filmen denke. Weitere Informationen zu „Bildungsaktionäre gesucht“ unter: www.slb.potsdam.org/foerder.htm

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })