Von Almut Andreae: Biografien statt Chronologie
Im Potsdam Museum stehen alle Zeichen auf den Umzug in das Alte Rathaus
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Es wird noch etliche Monate dauern, bis das Potsdam Museum endlich seine Dauerausstellung im neuen Haus am Alten Markt präsentieren kann. Doch die Aussicht auf eine Neuaufstellung des Museums beflügelt die Museumsdirektorin Jutta Götzmann und ihren Mitarbeiterstab zu einer Ausstellungskonzeption, die manch eingefahrene Sichtweise auf die regionale Geschichte schwungvoll gegen den Strich bürsten könnte.
Es sei wichtig, „Stadtgeschichte sehr stark über Biografien nahezubringen“, sagt Jutta Götzmann. So soll die Dauerausstellung, deren Eröffnung 2013 geplant ist, stadtgeschichtliche Ereignisse vor allem über den Blick auf ausgewählte bürgerliche Biografien erzählen. Eine chronologische Darstellung ordnet sich dem unter, statt Daten und Fakten rücken Menschen und Schicksale in den Fokus, die das Leben in dieser Stadt maßgeblich prägten und gestalteten. Um ein lebendiges Geschichtsbild zu entwerfen, werden historische und gesellschaftliche Prozesse in thematisch gegliederten Abteilungen mit dem Erleben aus der heutigen Perspektive konfrontiert. Querbezüge zwischen Heute und Gestern sollen so den roten Faden der künftigen Ausstellungskonzeption bilden.
Als Mitte Januar im Potsdam Museum die Sonderausstellung „Von Otto Müller bis Max Kaus“ beendet wurde, war dies für das stadtgeschichtliche Museum in der Benkertstraße 3 eine klare Zäsur. Denn eine Ausstellung im engeren Sinne wird es dort nicht mehr geben. Längst dominiert der Umzug des Potsdam Museums an den Alten Markt das Tagesgeschäft der Museumsmitarbeiter. Am 20. August 2012 sollen die neuen Räume im Alten Rathaus und dem benachbarten Knobelsdorff-Haus mit der Sonderausstellung „Friedrich und Potsdam – Die Erfindung einer Stadt“ eröffnet werden. Doch auch wenn das Hauptaugenmerk jetzt auf der Begleitung der Umbauarbeiten am Alten Markt und den Planungen und Vorbereitungen der Sonder- und Dauerausstellung am neuen Standort liegt, bleibt das Potsdam Museum in der Benkertstraße präsent.
Dort öffnet sich ab Mai für die Besucher in den vier kleinen Ausstellungsräumen im Erdgeschoss eine Art Schaufenster, das Einblicke gewährt in den umfassenden Umbildungsprozess des städtischen Museums. Neben den Bauarbeiten an Altem Rathaus, Knobelsdorff-Haus und dem sogenannten Verbinder soll das Publikum durch diese „Schaustelle“ auch erfahren, wie sich das Potsdam Museum in seiner zukünftigen Dauerausstellung, dem Herzstück des neuen Hauses, konzeptionell neu ausrichten will, sagt Museumschefin Jutta Götzmann im Gespräch mit dieser Zeitung.
Auch in der Sonderausstellung „Friedrich und Potsdam. Die Erfindung einer Stadt“ zum Friedrich-Jahr 2012 wird sich das Interesse der Ausstellungsmacher am Biografischen widerspiegeln. Die Frage, in welchem Ausmaß das Gespann Potsdam und Friedrich das heutige Potsdam-Bild bedient und geprägt hat, ist wesentlicher Antrieb für die erste Sonderschau im neuen Haus. Mit einem eigenen Raum zu dieser Friedrich-Ausstellung wird auch die „Schaustelle“ in der Benkertstraße den Prozess begleiten.
Die „Schaustelle“ soll aber nicht nur informieren, sie soll auch Anlaufstelle für die Besucher sein, um Fragen, Standpunkte und Wünsche an das Potsdam Museum öffentlich zu machen. „Mir ist es wichtig, solche Meinungen einzuholen“, so Jutta Götzmann.
Wichtig ist für Jutta Götzmann ebenfalls eine verstärkte Zusammenarbeit des Museums mit der Universität Potsdam und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen der Stadt. So steht bei den Vorbereitungen der Ausstellungen im neuen Haus dem Potsdam Museum mittlerweile ein wissenschaftlicher Beirat zur Seite. Er setzt sich aus neun Experten zusammen, so der Bereiche Frühe Neuzeit, Zeitgeschichte und Museumspädagogik, die das Museum fachlich unterstützen. Mit dem Fachbereich Informationswissenschaften der Potsdamer Fachhochschule wird an einer „Sammlungsdokumentation und Archivierung im Potsdam Museum“ gearbeitet. Gerade in Sachen digitaler Erfassung und Verwaltung der umfangreichen Sammlungsbestände des Museums sieht Jutta Götzmann immer wieder dringenden Handlungsbedarf. Angehende Informationswissenschaftler entwickeln nun für die Sammlung eine auf sie zugeschnittene digitale Systematik. Mit dem Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung erfasst das Museum einen Sammlungsbestand an DDR-Kunst, der seit Mitte der 70er Jahre systematisch aufgebaut wurde. Diese ehemalige „Galerie Sozialistische Kunst“ mit Malerei, Grafik und Skulptur umfasst etwa 5000 Objekte.
Bislang war sie im Museumsdepot auf Hermannswerder eingelagert. Doch nun zieht dieser Galeriebestand in ein neu eingerichtetes Außendepot in die Waldsiedlung Groß Glienicke um. Vor dem Hintergrund der Ausstellungsvorbereitungen für das neue Haus Am Alten Markt war die Auslagerung der „Galerie Sozialistische Kunst“ notwendig geworden, um Freiflächen auf Hermannswerder zu schaffen. Denn der Gesamtbestand an Gemälden und Grafiken, Skulpturen und Fotografien, Kunstgewerbe und Alltagskultur im Besitz des Potsdam Museums beziffert sich alles in allem auf etwa 220 000 Objekte. Nun steht das Museum vor der Aufgabe, Schätze dieser umfangreichen Sammlung für die Ausstellungen Am Alten Markt auszuwählen. Hatte das Museum in der Benkertstraße 120 Quadratmeter zur Verfügung, sind es im Alten Rathaus 1500 Quadratmeter, verteilt auf drei Etagen.
Neben den Ausstellungsräumen soll es unter anderem auch einen modernisierten Veranstaltungssaal im Erdgeschoss und ein Museumscafé geben. Ob der Umbau von Altem Rathaus und dem benachbarten Knobelsdorff-Haus im dafür vorgesehenen Zeitplan erfolgen kann, hängt wie immer vom notwendigen Geld ab. Und von Unwägbarkeiten in Sachen Finanzierung bleibt auch das Potsdam Museum nicht verschont. So hatte Jutta Götzmann im jüngsten Kulturausschuss darauf hingewiesen, dass für die Einrichtung und Ausstattung der Dauer- und Sonderausstellung allein 800 000 Euro fehlen. Schon in diesem Jahr werden davon 100 000 Euro benötigt.
Almut Andreae
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