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Kultur: Bitte recht unfreundlich! Bushido & Saad auf der „Electro Ghetto-Tour“

Er ist ein Arbeitstier. Jedes Jahr ein Album zu veröffentlichen, hat sich Rapper Bushido vorgenommen.

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Er ist ein Arbeitstier. Jedes Jahr ein Album zu veröffentlichen, hat sich Rapper Bushido vorgenommen. Vor drei Jahren gelang ihm mit „Carlo, Cokxxx, Nutten“ ein Achtungserfolg in der Berliner Untergrund-Szene. Das Label Aggro-Berlin machte lärmend und mit einem Sägeblatt-Logo auf sich aufmerksam: mit Fler, Sido, B-Tight und eben Bushido hatten sie Rapper in ihren Reihen, die Asozialität auf eine neue Ebene brachten. Ihre Texte machten vor nichts und niemanden halt und überrollten von Berlin aus ganz Deutschland. Ein fluchender Flächenbrand entfachte sich. Bushido veröffentlichte „Vom Bordstein zur Skyline“ und wechselte vom Aggro- ins Universal-Lager. Für viele, besonders Ex-Aggro-Kollegen, Fahnenflucht, doch seinem Erfolg hat es nicht geschadet. Ein ausverkaufter Lindenpark bezeugte das am Samstagabend. Klick, klack – boom. Das Nachladen und Abfeuern einer Pistole soll zum nervigsten Füll- und Störgeräusch des Abends werden. Immer wenn sich DJ Devin langweilt oder das Publikum ihm zu lahm reagiert, feuert er knopfdrückend eine ohrenbetäubende Salve ab. Soll wohl Gangster sein. Wie so vieles bei diesem Konzert. Aber man darf das wohl nicht zu ernst nehmen. Im Endeffekt, und das hat Bushido oft genug betont, geht es ihm ums Geldverdienen. Und dafür können die Texte halt nicht derb genug sein. Auf welcher textlichen Tiefebene sich Titel wie „Gangbang", „Behindert“ oder „Knast oder Ruhm“ bewegen, dürfte klar sein und trotzdem ist er der Verstärker der jugendlichen Aggression geworden. Zusammen mit seinem Back-up-MC „Saad“ versucht er die letzten kleinbürgerlichen Bastionen einzureißen. Konventionen gibt es nicht, die Bushidosche Rap-Knigge bildet den neuen Konsens. Im Kampf darum, alles, aber um Gottes Willen nicht Kommerz zu sein, hat sich das Hip Hop-Volk auf Bushido geeinigt. Einen derart nonkonformen Rapper kann der Ausverkauf schließlich nicht einholen. Kann er doch. Schon kommt der erste Schmusetrack, der ihm natürlich „sehr am Herzen liegt“. Im Lindenpark rappt er den Track „Hoffnung stirbt zuletzt“ (in der Single-Version mit Cassandra Steen) a-cappella. Wieder zieht er sich selber durch den Tee, indem er Saad die Zeilen widmet, ihm beim Vortrag tief in die Augen schaut und am Ende zwei Küsse auf die Wangen gibt. Ob das Publikum ihm sein Image ohne Beanstandung abkauft? Einem Großteil ist das zuzutrauen. Viele sehen so aus, als ließe die Volljährigkeit noch mindestens ein halbes Jahrzehnt auf sich warten. Einen Vierzehnjährigen holt Bushido auf die Bühne und lässt ihn das Konzert vom Bühnerand beobachten. Bushido ist ein guter Entertainer, er hat die Menge im Griff. Teilweise kann er seinen Rap aussetzen, weil die Zuschauer so laut mitrappen. Am Ende füllt er die Bühne, das gehört sich so, mit befreundeten Rappern und gibt mit der Unterstützung des Publikums den Song „Renn“, ein Titel aus alten Aggro-Zeiten. Auch wenn er sich als impulsiver Bauchmensch gibt, Bushido weiß was er tut. Und er weiß wie er die Kasse zum Klingeln bekommt. Christoph Henkel

Christoph Henkel

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