Kultur: Bizarr und beschaulich
Anna Prohaska bei den Potsdamer Bachtagen
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Ein bisschen seltsam klingt es schon, wenn einem vor dem Konzert „Viel Spaß“ gewünscht wird. Der Oboenspieler Gregor Witt ließ sich in der Französischen Kirche nicht nehmen, das Publikum derart zu animieren. Doch man fragt sich unwillkürlich, ob nicht das altmodische, gesetzte „Vergnügen“ passender wäre.
Wie auch immer, großen Genuss konnte man beim Konzert des Barock-Ensembles der Staatskapelle Berlin durchaus erleben. Die acht Solisten zelebrierten Werke von Johann Sebastian Bach und Jan Dismas Zelenka mit so viel Spiellust und Virtuosität, dass es eine Freude war, zuzuhören. Musikalisch verbindet die Zeitgenossen Jan Dismas Zelenka und Johann Sebastian Bach nicht so viel, sonst schon einiges. Der eine wirkte in Dresden, der andere in Leipzig, beide als Kirchenmusik-Komponisten, jeder kannte und schätzte den anderen. Anders als Bach wurde der aus Böhmen stammende Zelenka erst in den letzten Jahrzehnten wiederentdeckt, insbesondere seine Instrumentalkompositionen.
Von Hause aus ein Spieler der Violone, des Kontrabass-Vorläufers, gilt Zelenka als früher Vertreter der typisch böhmischen Klangfärbung. Die Trio-Sonate g-Moll, die in einer Version mit Streichinstrumenten dargeboten wurde, geht jedoch weit über die volkstümliche Tonsprache hinaus und verblüfft mit bizarren und berückenden Einfällen. Auch in der als „Hypochondrie“ bezeichneten Ouvertüre für sieben Musiker erlaubt sich Zelenka musikalische Freiheiten jenseits des damals Üblichen. Was aber nicht verwundert angesichts eines Musikstücks, das sich mit dem schillernden Krankheitsbild der Schwermut, real oder eingebildet, befasst. Warme Klangfülle mit Oboe und Fagott in festlich-heiteren Passagen kontrastieren mit jähen Unisono-Akkorden der Streicher. Stachelig, widerborstig wirkt dieser Zelenka auch im Concerto in Sol. Zu Beginn aufbrausend und von einer nicht enden wollenden Oboenkantilene umrankt, ergötzt es im aparten Andante mit vielen Solopassagen, bevor es mit markanten, tänzerischen Staccatomotiven endet.
Daneben klingen die beiden Bachwerke gefällig, beinah brav, doch auch sehr berückend, wie das selten zu hörende Konzert A-Dur für Oboe d’amore. Beschauliche Heiterkeit und Seelenruhe verströmt die Kantate BWV 84 „Ich bin vergnügt mit meinem Glücke“, zumal, wenn sie mit so lichthellem Stimmglanz gesungen wird, wie von der jungen Sopranistin Anna Prohaska, die der Staatsoper Berlin angehört. Der anhaltende Beifall für die großartigen Musiker und die bezaubernde Sängerin bewies, wie viel Vergnügen dieses Konzert der Bachtage Potsdam bereitet hat. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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