Kultur: Bläserwonnen, Tastenwitz, Saitengesang Klassische Spurensuche im Nikolaisaal
Wieviel Mozart steckt in Beethoven? Welche Anregungen hat er, der 1792 endgültig von Bonn nach Wien übersiedelt, von Mozart erhalten?
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Wieviel Mozart steckt in Beethoven? Welche Anregungen hat er, der 1792 endgültig von Bonn nach Wien übersiedelt, von Mozart erhalten? Nach Antworten zu suchen, könnte spannend werden. Das meinten auch Mitglieder der Kammerakademie Potsdam, die sich am Freitag im Rahmen der Nikolaisaal-Reihe „Kammermusik im Foyer“ auf entsprechende „Spurensuche“ begeben hatten. Klaviertrios und -quintette beider Meister stehen auf dem Programm. Als sachkundiger Unterstützer dient ihnen Kristian Bezuidenhout, Hammerklavierspezialist und saisonaler Artist in Residence. Er spielt die Kopie eines Graf-Hammerklavieres von 1822, vom US-Amerikaner Rod Regier anno 1982 angefertigt. Um weitgehend authentisch zu klingen, haben auch die beiden mitwirkenden Streicher – Peter Rainer (Violine) und Ulrike Hofmann (Violoncello) – statt der Stahl- nun Darmsaiten aufgezogen und Kopien historischer Bögen verwendet. Sie lassen sich mit weniger Gleitdruck, aber mehr Gefühl führen. Das Ergebnis: enorm bewegliche, deutlich wärmere und farbenreichere, stets funkelnde und spritzige Klänge.
Beethoven ist also in Wien angelangt. Mozart lernt er nicht mehr persönlich kennen. Um beruflich Fuß zu fassen, sucht er adelige Gönner. Das Netzwerk ist alsbald geknüpft. Fürst Lichnowsky, der schon Mozart unterstützt hat, nimmt nun Beethoven unter seine Fittiche. In seinem Palais führt er die Trio-Trias op.1 für Hammerklavier, Violine und Violoncello erstmals auf. Sie sorgt für Aufsehen. Nicht weniger die Nr.3 in c-Moll, die im Nikolaisaal-Foyer voll innerer Spannung und straff artikulierter Dramatik erklingt. Abrupte Stimmungswechsel zwischen düsterem Drängen und lyrischer Innigkeit beherrschen das Geschehen.
An diesem gelösten Spiel voller rhetorischer Finessen haben das samtig singende Cello, die geschmeidig agierende Geige und das farbenreich parlierende Hammerklavier gleichermaßen Anteil. In Mozarts Vorbild-Trio E-Dur KV 542 dominiert noch das Pianoforte, ehe sich ihm die Violine zum unbeschwerten Gespräch zugesellen darf, während das Cello hauptsächlich die Bassrhetorik des Klaviers verstärkt. Die überraschenden harmonischen Wendungen und virtuosen Eingebungen wie der sprudelnden Klavierläufe und des ariosen Gesangs der Geigen, der einige intonatorische Unsauberkeiten unterlaufen, werden von den drei Instrumentalisten mit lakonischer Direktheit, bisweilen zupackender Anmut musiziert. Gelegentlich klingt es ziemlich beethovennah. Die erste Spur ist gefunden.
Eine weitere findet sich bei der Gattung der Klavierquintette. Konzertant sind sie beide, stehen in Es-Dur und huldigen den klanglichen Möglichkeiten der ungewöhnlichen Besetzung mit Hammerklavier, Oboe (Jan Böttcher), Klarinette (Markus Krusche), Fagott (Christoph Knitt) und Horn (Christian Müller). Hier wie dort entspinnen sich zwischen Tasteninstrument und Bläsergruppe raffinierte Wechselreden, die bei Mozarts Opus KV 452 mitunter sogar sinfonische Dimensionen erreichen. Zupackend, in zügigen Tempi und voller Leidenschaft, geradezu klanglich verführerisch wird es musiziert. Und klingt dadurch sehr beethovennah. Mozarteske Züge weist dagegen Beethovens Klavierquintett op. 16 auf, um sich jedoch neue Klangregionen zu gewinnen. Eine gelungene, begeistert applaudierte Spurensuche. Peter Buske
Peter Buske
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