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Kultur: Blassrosa Album im Schutt des Pfingstbergs

Die Entdeckungen des Jörg Kirschstein / Bildbiographie über die Kronprinzessin Cecilie angekündigt

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Die Entdeckungen des Jörg Kirschstein / Bildbiographie über die Kronprinzessin Cecilie angekündigt Von Erhart Hohenstein Die Kaiserzeit, als Wilhelm II. das Neue Palais zu seiner Sommerresidenz wählte und für das Kronprinzenpaar Schloss Cecilienhof gebaut wurde, hat Jörg Kirschstein schon als Jugendlichen interessiert. Sie spielte in der DDR-Zeit, als der gebürtige Potsdamer als Museumsassistent ab 1987 durch das Palais führte, allerdings kaum eine Rolle. Erst nach der Wende eröffnete sich dem gelernten Gärtner während seines Studiums des Archiv- und Dokumentationswesens an der Potsdamer Fachhochschule die Chance, sich intensiv wissenschaftlich mit dem Thema zu befassen. Seine Diplomarbeit widmete er der Kronprinzessin Cecilie. Nun legt der 34-Jährige über die Prinzessin eine Bildbiographie vor, die im März in der edition q der Berlin Edition erscheint. Die Fürstentochter aus dem Hause Mecklenburg-Schwerin war eine faszinierende Persönlichkeit. Als die 1,82 m große dunkelhaarige Schönheit nach der Heirat mit Kronprinz Wilhelm 1905 Einzug in Potsdam hielt, lag ihr die Stadt zu Füßen. Dennoch hat sie sich hier nicht wohl gefühlt. Sie kam sich als „gefangener Vogel“ in einem „vergrabenen Winkel“ vor. Dazu mag beigetragen haben, dass die damals erst 19-jährige Cecilie schon viel von der Welt gesehen hatte. Ihren schwer an Asthma leidenden Vater, Großherzog Friedrich Franz III., begleitete sie zu längeren Kuraufenthalten ins mondäne Cannes und nahm nach dessen Tod mit ihrer Mutter Großfürstin Anastasia Michailowna, einer Enkelin des Zaren Alexander II., häufig auf dem Sommersitz Michaelowskoje bei St. Petersburg Aufenthalt. Nach ihrer Heirat besuchte sie mit ihrem Gemahl zahlreiche europäische Fürstenhöfe und reiste nach Ägypten. Cecilies späteres Schicksal ist eher tragisch zu nennen. Der Kronprinz, mit dem sie vier Söhne und zwei Töchter hatte, entfremdete sich von ihr und hatte zahlreiche Affären. Nach dem Ende der Monarchie versuchte die Prinzessin die Familie zusammenzuhalten. 1945 floh sie mit nur zwei Koffern aus Cecilienhof vor der anrückenden Sowjetarmee nach Bad Kissingen, wo sie als Gast der Familie Sotier im Kurhaus „Fürstenhof“ zwei Zimmer bewohnte (Dr. Paul Sotier war Leibarzt Kaiser Wilhelms II. in dessen holländischem Exil gewesen). Dort vereinsamte sie immer mehr und alterte schnell. Erst 1952 bezog die Kronprinzessin in Stuttgart ein relativ bescheidenes Haus, das sie aber bis zu ihrem Tod 1954 nur zwei Jahre bewohnte. Es ist heute in Privathand. Jörg Kirschstein befindet sich in der glücklichen Lage, in seinem Buch alle Lebensstationen der letzten Kronprinzessin an schriftlichen Quellen und an Abbildungen darstellen zu können, die zum größten Teil bislang weitgehend unbekannt und unveröffentlicht geblieben waren. Ebenso hat er alle bevorzugten Aufenthaltsorte Cecilies, so Schloss Oels in Schlesien, das Jagdschloss Gelbensande bei Rostock oder eine Villa im heute polnischen Ostseebad Sopot, aufgesucht. Die Hohenzollernfamilie stellte ihm durch den Chef des Hauses, Georg Friedrich Prinz von Preußen, Fotos aus ihrem Privatarchiv zur Verfügung und bekundete ausdrücklich ihr Interesse an der Veröffentlichung. Auch Enkel Cecilies leisteten Beiträge. Jörg Kirschstein, der schon 1992 eine Arbeit zur Nutzungsgeschichte des Neuen Palais in der Regierungszeit Wilhelms II. verfasst und die Fotosammlung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten inventarisiert hatte, setzte die Forschungen während seiner Praktika in der Plankammer der Stiftung und in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz fort. So konnte er schließlich für sein Buch aus der Fülle von etwa 10 000 Fotos auswählen. 150 werden darin zu sehen sein, wobei er sich auf die „aussagekräftigsten, brillantesten und auf bisher unveröffentlichte“ konzentriert hat. Zu seinen Entdeckungen zählen 550 Glasplatten mit Fotos der kaiserlichen und der Kronprinzenfamilie. Sie sind 1932 durch den Hamburg-Berliner Fotografen Emil Bieber aufgenommen wurden, der das Kronprinzenpaar seit 1904 fotografisch begleitete. Veröffentlicht wurde diese letzte Serie nie – denn Bieber war jüdischer Abstammung und erhielt wenige Monate später durch die Nationalsozialisten Berufsverbot. Erst jetzt, mehr als 70 Jahre später, werden einige dieser Fotografien dem Publikum zugänglich gemacht. Einen zweiten bedeutenden Fund, den Kirschstein auf der Burg Hohenzollern machte, stellt ein Fotoalbum der Kronprinzessin mit wahrscheinlich auch eigenhändigen Aufnahmen dar. Dem blassrosa gebundenen Pappband war das Schreiben einer Potsdamer Familie beigelegt. Sie hatte das Album 1945 im Schutt des Pfingstbergs gefunden und sechs Jahre später nach Bad Kissingen übersandt. Die Aufnahmen belegen, dass Cecilie, auch wenn Potsdam nicht ihr Lieblingsort war, im Leben der Stadt eine wichtige Rolle gespielt hat. So übernahm sie 1908 das Protektorat über die Betreuungseinrichtung Elisabethhaus (heute Kindergarten Friedenshaus) der Friedenskirchgemeinde und sammelte auf dem jeweils nach der Potsdamer Frühjahrsparade durch die Kolonie Alexandrowka führenden Blumenkorso „Margueritentag“ Spenden für Bedürftige. Dieses soziale Engagement wurde ebenso in der von ihr 1913 begründeten „Cecilienhilfe“ und in ihrer Schirmherrschaft über den Luisenbund deutlich. Dem nationalsozialistischem Regime gegenüber verhielt sich das Kronprinzenpaar nach anfänglicher Kontaktaufnahme reserviert. Die von Cecilie geführten Wohltätigkeitsvereine wurden gleichgeschaltet und die Prinzessin der Schirmherrschaft enthoben. Nach Kirschsteins Recherchen ist auf keinem der damals beliebten „Promifotos“ mit den Ehefrauen von Göring und Goebbels auch die Kronprinzessin abgebildet. Bei einer Sonderführung durch die Kronprinzenwohnung im Schloss Cecilienhof wurde Jörg Kirschstein kürzlich ironisch gefragt, ob er für die Monarchie werben wolle. Er geht jedoch davon aus, dass gerade durch die Beschäftigung mit Cecilie, die im Gegensatz zu ihrer bereits 1921 verstorbenen Schwiegermutter Kaiserin Auguste Victoria Weimarer Republik, Nazireich und Nachkriegszeit durchlebte und durchlitt, wesentliche neue Erkenntnisse über die preußisch-deutsche Geschichte vornehmlich nach 1918 und die Rolle der Hohenzollernfamilie gewonnen werden können. Das Buch orientiere sich streng an den Fakten, was Schönfärberei ausschließe. Die Veröffentlichung kann also mit ihrem auf 15-jähriger Forschungsarbeit begründeten Text und den ihn stützenden Abbildungen durchaus auch Diskussionsstoff liefern. Sie wird am 23. März im Berliner Kronprinzenpalais Unter den Linden (der Winterresidenz von Wilhelm und Cecilie) und kurz darauf zur Eröffnung des Museumsshops im Schloss Cecilienhof ihre Premieren haben.

Erhart Hohenstein

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