zum Hauptinhalt

Kultur: Blaue Stunde

Benedikt Wells liest – KAP spielt Bach und Berio

Stand:

Am Anfang war der Klang. Oder vielleicht doch das Wort, wie es in einem biblischen Vers heißt. Was auch immer zuerst da war – sicher ist, dass zwischen Dichtung und Musik seit jeher enge Beziehungen bestehen. Bei der Veranstaltungsreihe „Saitenweise – Literatur und Musik im Duett“ wandelten die Kammerakademie Potsdam (KAP) und die Stadt- und Landesbibliothek zum vierten Mal auf den Spuren dieser beiden Künste.

Am Donnerstagabend hatte im gut besetzten Saal der Bibliothek die Musik das erste Wort, doch das letzte Wort gebührte dem jungen Autor Benedict Wells, der aus seinem Roman „Vom Ende der Einsamkeit“ las. Zwischen den Leseabschnitten spielten Susanne Zapf, Violine, und Jennifer Anschel, Viola, Inventionen von Johann Sebastian Bach und Miniaturporträts von Luciano Berio – eine kluge Wahl. Denn in den kleinen zweistimmigen Dialogen der Inventionen und den akustischen Charakterskizzen zeigte sich, dass selbst die Musik als Rede und Malerei wirken kann. Der Dichter aber verfügt über ganz andere Möglichkeiten der Darstellung handelnder Menschen.

Wie gut Benedict Wells diese Kunst beherrscht, wird bei seiner Lesung deutlich. Er ist ein feingliedriger junger Mann mit wuscheligem Haar und tiefliegenden großen Augen, er hat bereits vier höchst erfolgreiche Romane geschrieben. Zurückhaltend und konzentriert beginnt er zu lesen. In seinem jüngsten Buch „Vom Ende der Einsamkeit“ geht es um drei Geschwister, die ihre Eltern durch einen Unfall verlieren, wodurch scheinbar klar verteilte Rollen plötzlich wanken.

Durch die über drei Jahrzehnte währende Handlung zieht sich auch eine Liebesgeschichte. Doch hier sei nur erwähnt, dass es Benedict Wells sogar gelingt, die Liebe, dieses magische Urthema der Literatur, glaubhaft zu schildern. Bei der Lesung beschränkt er sich auf drei kurze Szenen. Die erste erzählt vom Kennenlernen zwischen dem Ich-Erzähler und dessen Lebensliebe und endet mit der Metapher „Es war, als müsste ich für jedes Wort einen Spaten in einen gefrorenen Acker rammen“. Da hatte ihn das Mädchen Alva auf den Tod seiner Eltern angesprochen. Wie viel innere Wucht sich unter der leicht dahinfließenden Oberfläche der Erzählung verbirgt, zeigt sich mehr noch bei der zweiten Leseprobe. Sie geht von einer Mobbingszene im Internat über in das Bild eines im See eingefrorenen Fuchses bis hin zum „aschigen Gefühl der Unterlegenheit“, das den jungen Jules plötzlich befällt. Wie diese Geschichte vom mühevollen Erwachsenwerden endet, sei hier nicht verraten. Dass Benedict Wells mit nur drei kurzen Leseausschnitten die Zuhörer in der Stadt-und Landesbibliothek überzeugt hat, verwundert nicht. Von diesem Schriftsteller der neuen Generation wird es sicher noch viel zu lesen geben. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })