Kultur: Blaue Stunde voller Glücksseligkeit
Konzert über „Die himmlische Farbe Blau“ in der Klein Glienicker Kapelle
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Blau ist nicht nur ein Zustand, in den man nach zu reichlichen Alkoholgenüssen gelangt, sondern oftmals auch das Endergebnis einer Fahrt ins Blaue. Ob man danach mit einem blauen Auge davonkommt, auch wenn man am Montag nicht blaumacht? Kurzum: Es ranken sich viele Redensarten um jene Farbe, die in den Überlieferungen nur gelegentlich als Symbol der Treue empfunden wird. Vielmehr ist sie ein Synonym für Ferne, für Sehnsüchte, Unbestimmtes, erfolgloses Bemühen. Doch Blau kann auch die Farbe der Verstellung, Täuschung, Lüge sein. Als keinesfalls hinterhältig, sondern hintersinnig erweisen sich dagegen die Betrachtungen über „Die himmlische Farbe Blau“, von der in Potsdam lebenden Mimin Christine Uhde zu einem reizvollen Programm gestaltet. Am Sonntagnachmittag stellte sie es in der Klein Glienicker Kapelle vor. Knapp 100 Besucher sind’s, die sich von Märchen und Mythen, Liedern und Gedichten bei einer blauen Stunde verzaubern lassen wollen. Ein Wandteppich von Norbert Wagner hängt im Altarraum, der sich ganz von seiner bläulichen Seite zeigt und Assoziationen an Chagalls blaue Märchenbilder, an die legendären „Blauen Pferde“ von Marc oder an Madonnen im blauen Kleid erweckt.
Christine Uhde verspricht den Zuhörern allerdings nicht das Blaue vom Himmel, sondern hat blaues Gedankengut bei Dichtern und Denkern aufgespürt. Dabei entdeckte sie manchen literarischen Schatz – von aphoristischer Prägnanz bis zur poesievollen Betrachtung. Was sie frei vorträgt, wird von Gitarre (Beate Masopust) und Violoncello (Benno Kaltenhäuser) zwischenspielgleich begleitet oder zum melodramatischen Vortrag umfunktioniert. Antonin Dvoraks „Humoreske“ untermalt Ludwig Gleims „Das Blümchen“, welches sich endlich als Vergissmeinnicht entpuppt. Gottfried Benns „Blaue Stunde“, von sprachlicher Farbenmalerei nur so schillernd, wird durch ein passendes Adagio des brasilianischen Komponisten Radamés Gnatali zu einer stimmungsvollen Betrachtung aufgewertet. Enrique Granados‘ „Andalusa“ stimmt auf den „Blauen Schmetterling“ von Hermann Hesse ein, färbt die „Blaue Hortensie“ des Rainer Maria Rilke zu rhythmischer Finesse. Die Musiker bevorzugen bei ihrem Zupfen und Streichen einen voluminösen, direkten und textdienlichen Ton. So entsteht gleichsam eine musikalisch-literarische Novelle von eindringlicher, seelenerregender und seelenerbaulicher Dichte.
Angefangen von der bekannten „Blauen Blume“ des Novalis über Impressionen von Alexander Blok, Wolfgang Borchert, Else Lasker-Schüler oder Hilde Domin bis hin zu Kinderträumen von Blauen Engeln vertraut die Geschichtenerzählerin von Anfang an auf die leisen Töne, auf subtil vorgetragene, sprachmelodisch hin und her gewendete Betrachtungen. Ein Genuss, ihr zuzuhören. Mitunter legt sie sich für Stimmungs- und Figurenverwandlungen eine Stola um, schlüpft gar in einen Kimono, um das tiefsinnig-poetische chinesische Märchen vom Traum einer Prinzessin von einer „Blauen Rose“ stilecht zu erzählen. Wie schön, dass sie dabei zwei Liebeslieder sogar in Chinesisch singt! Und zum Schluss stellt sie fest, dass Blau auch die Farbe der Freude sei – von Claude Debussys vergnüglichem „Golliwogg’s Cake Walk“ per Cello und Gitarre eindrucksvoll unterstrichen. Mit den Worten „Trinkt Blau, trinkt nicht Kummer“ von Kurt Marti entlässt sie uns aus der Blauen Stunde. Peter Buske
Peter Buske
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