Kultur: Blaugrünes Orgel-Aquarell
Spätromantische Musik in der Friedenskirche
Stand:
Spätromantische Musik in der Friedenskirche Wohl kaum ein Instrument eignet sich so gut für eine imaginäre oder malerische Umsetzung von Klängen in Farben wie die Orgel. Der unpersönlich-sachliche Klang ihrer mechanisch betriebenen Pfeifen im Einzelnen, die nahezu unendliche Klangfarbenpalette im Zusammenklang, die Vielfalt der möglichen Schattierungen und Abstufungen auf einem einzigen Instrument legen den Vergleich mit der Komposition von vornehmlich gegenstandsfreien, Gemälden nahe. Bekannte und weniger bekannte spätromantische Orgelkomponisten aus Potsdam und Berlin gab es beim vierten Konzert auf der Woehl-Orgel in der Friedenskirche in Sanssouci zu hören. Von Felix Mendelssohn Bartholdy bis zu Wilhelm Kempff reichte die Spannweite der Werke für Orgel solo sowie in Kombination mit Streichern und Sopran. Der renommierte rheinländische Organist Johannes Geffert „malte“ mit ganz eigenen Farben auf der Woehl-Orgel. Dunkles Brausen, erinnernd an eine Farbwand in unterschiedlichen dunklen Blautönen, prägte seine Wiedergabe von Präludium und Fuge c-moll von Felix Mendelssohn Bartholdy. Seine kompromisslose Registrierung beschränkte sich auf wenige, sorgsam ausgewählte Farbfelder in moderater Lage und Dynamik mit vibrierendem Furor grundiert. Helle Irrlichter geisterten durch das labyrinthische Allegretto scherzando von Otto Dienel, der Organist an der Berliner Marienkirche gewesen ist. Auch Schwellwerk und Tremulant setzte Geffert subtil ein. Die „Waldszene“ aus Engelbert Humperdicks Oper „Hänsel und Gretel“ in der Orgelfassung von Edwin Lemare geriet zu einem nahezu filmischen Farbenrausch verschiedenster Klänge. Der englische Komponist, der lange in Kalifornien gelebt hat, ließ sich von der spätromantischen Vorlage zu einer ausschweifenden Orgelapotheose inspirieren, bei der von der schlichten Einfalt des Originals nicht viel erhalten blieb. Die Farben des Waldes in der Nacht, glitzernde Sterne am Himmel und inniges Gebet erschienen wie ein Ausbruch klangmalerischer Energien. Auch hier registrierte Johannes Geffert sehr subtil und überlegt, ohne in allzu großen Überschwang zu verfallen. Einen besonderen Höhepunkt bildeten sonst selten zu hörende Darbietungen mit Gesang, Violine und Viola. Die junge Sopranistin Alexandra Bohnert nahm mit den „Geistlichen Gesängen“ von Heinrich von Herzogenberg für sich ein und gab dem spätromantischen, epigonalen Gepränge klare Konturen. Der „Abendphantasie“ von Wilhelm Kempff, im gesanglichen Duktus weniger melodisch als eklektizistisch, verlieh sie mit strahlendem Timbre viel Glanz. Nicht zuletzt die subtilen, weichen Kantilenen von Andreas Gerhardus an der Viola umschlangen das esoterische Werk mit edlen Klanggirlanden. Im Dreiklang mit dem dezenten Orgelfundament ergaben sich reizvolle Tonbilder. An der Violine präsentierte sich mit Ingeborg Scheerer ebenfalls eine erfahrene Künstlerin. Als ein einziger weltabgewandter inniger Gesang auf der Violine erklang das „Larghetto“ von Ernst Wennrich. Auch in den „Geistlichen Gesängen“ Herzogenbergs begeisterte Ingeborg Scheerer mit empfindsamem und leuchtendem Geigenspiel. Alle Stücke grundierte Johannes Geffert mit aquarellweichen, überwiegend dunklen, blauen und grünen Farbschattierungen, durchsetzt von einigen hellen Gelbtönen aus dem bunten Spektrum der Woehl-Orgel.
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