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Kultur: „Blechbüchse“

Nachruf auf fast 15 Jahre Theater am Alten Markt

Stand:

Als am 21. November 1992 zur Eröffnung des Theaterhauses am Alten Markt Bachs festlich-freudige Kantate „Erschallet ihr Lieder“ verklang, wurde man, wie bei solchen Anlässen üblich, mit Reden bedacht. Auch ein damaliges Vorstandsmitglied des Theaterfördervereins richtete ein Grußwort an das Publikum. Als der Redner wieder seinen Platz im Zuschauerraum einnahm, zischelte ihn Intendant Guido Huonder ins Ohr, dass die Potsdamer endlich dankbar sein sollten, dass er ihnen ein neues Theater ermöglicht habe. Das Fördervereinsmitglied tat in seiner Ansprache kund, dass dieses Theaterhaus nur ein Provisorium sein könne. Ein neues Theater stehe auf alle Fälle aus. Huonder war nämlich die treibende Kraft für die Installation des neuen Gebäudes in Potsdams Mitte. Fünf Jahre sollte das als „Blechbüchse“ genannte Haus stehen. Es dauerte 15 Jahre, ehe im September 2006 die Potsdamer ihr wirklich neues Theater am Tiefen See begrüßen konnten.

Damals, 1992, veranstaltete das Hans Otto Theater ein Ausschreiben. Der treffendste Name für das Theater sollte gefunden werden. Es gab etliche Vorschläge, beispielsweise „Wellblechoper“, „Warte, warte nur ein Weilchen“ (in Anspielung auf das jahrzehntelange Warten auf ein neues Theater) oder Theaterhaus am Alten Markt. Der damalige Baustadtrat Kaminski beteiligte sich ebenfalls daran. „HOT-Schrott“ war sein Vorschlag, der mit einem Sonderpreis bedacht wurde. Den Namen „Blechbüchse“ fand man nicht unter den Einsendungen. Der war eines Tages einfach da. Von nun an war er bei den Potsdamern in aller Munde. Ob liebevoll, sei dahin gestellt. Das Hans Otto Theater blieb ganz brav und lud stets in das Theaterhaus Am Alten Markt ein, bis Sommer 2006.

Die „Blechbüchse“ hatte einen schweren Stand in Potsdams Mitte. Für die meisten Zeitgenossen war es eine architektonische Beleidigung. So mancher hat auch deswegen das Haus nie betreten. Aber bei aller Ernüchterung, wenn man das Innere betrat, hier gab es schließlich eine Spielstätte, in der man großes Theater „zaubern“ konnte. Und Inszenierungen, die begeisterten und die weniger gelangen. Tops und Flops also, die zum Theateralltag gehören. Man erinnert sich auch an große Konzertabende der Brandenburgischen Philharmonie Potsdam, die hier den schmerzlichsten Auftritt erleben musste, ihr Abschiedskonzert. Der Klangkörper wurde im Jahre 2000 aufgelöst. Schon vorher hatte das Opernensemble seine letzten Vorstellungen in der „Blechbüchse“ absolviert.

Die Außen-Welt mit ihren vielfältigen Geräuschen spielte in der „Blechbüchse“ stets mit. Der Regen prasselte laustark auf“s Dach. Dagegen konnten die Stimmen der Schauspieler dann oftmals nicht ankämpfen, die Vögel, die unter dem „Büchsendach“ ihre Nester bauten, wollten ebenfalls mitreden, Autohupen, Feuerwehr- und Krankenwagensirenen mischten sich kräftig ein. Für Künstler und Zuschauer gab es es bange Minuten. Denn jedes Mal hoffte man, dass an dieser oder jener zarten Stelle des Stückes der Verkerhrslärm nicht allzu sehr das Sagen hat.

Das Theaterhaus Am Alten Markt wurde für fast 15 Jahre Mittelpunkt des Potsdamer Theaterlebens. Nun wird es endlich seinen Standort wechseln. In Zagreb will man das Gebäude wieder installieren. Wie wird man es dort wohl nennen? Die Potsdamer hätten für die kroatischen Hauptstädter einen Namen ...

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