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Kultur: Blick von unten

Das Maskenspektakel „Wilde Jagd“ im T-Werk

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Ein amorpher Haufen auf offener Bühne, vielleicht ein Stein. Er regt sich, es wispert. Unter den düsteren Klängen aus „Siegfrieds Tod“ kriecht ein maskiertes Völkchen hervor. Sind es Rachedämonen, neckende Geister, Menschenparias - oder verstecken sich hinter Namen wie Hellequin, Zanni oder Lumpenkönigin einfach nur Schauspieler, Komödianten, Gaukler? Was diese foppende, hämische, boshafte, fressende, heckende Fünfheit da auf der schwarzen Offbühne treibt, hat von allem etwas, manchmal auch zu viel an Beliebigkeit. Mal spielen sie den Zug verhungernder Leute, mal eine Horde politischer Redner von „Gasprom“ bis „Vive la révolution“, mal wird „frischer Samen!“ angeboten, mal zerfleischen sie sich selbst.

Keiner der fünf stellt sich in der neuen Produktion der Theatergruppe „Nadi“ dem Publikum vor, keiner rührte es an. Am Wochenende feierte das wortkarge Maskenspektakel von der „Wilden Jagd“ beim Kooperationspartner T-Werk seine Premiere. Keine leichte Kost für das Parkett: Scharfe Breaks und etliche Lichtwechsel gliederten die zusammenhangslose Szenenfolge, es gab weder Protagonisten noch Antagonisten, die Bühnensprache meist nonverbal, eine gepflegte Grammolo-Linguistik. Was da von Regisseur Finbarr Ryan und seiner Dramaturgin Petra Föhrenbach unter dem Thema „Wilde Jagd“ zusammengetragen wurde, musste mit gestischen Mitteln dargestellt werden, was in der einstündigen Produktion – mit Chapeau! – auch gut gelang. Ein Vexierspiel also, was ja foppen und plagen zugleich bedeutet. Allerdings nahmen es die Vordenker dieser Eigenproduktion mit den Tatsachen nicht so genau. Man war so frei, sich dem „Zeitgeist“ zu fügen. Statt kriegskündender Beutezüge des „Wütenden Heeres“ und seiner toten Mannen am Himmel palavert der Programmzettel von menschlicher Armut, von Vorurteilen, Ausgrenzung, alles aus der basisdemokratischen Froschperspektive zu verstehen, wie schön.

Beraubt sich jetzt auch noch das Theater seiner wahren Dimensionen?! Kurz, „Die Wilde Jagd“ handelt gar nicht von himmlischen und jenseitigen Zügen des Wilden Heeres, eher von total irdischer Soziologie. Dieses Defizit wird weder von ideenreich inszenierten Szenen noch vom Einsatz musikalischer Schwerstgewichte – Wagner, Händel und Bach – wettgemacht. Wenn man den Überlieferungen so wenig traut wie der Geisthaftigkeit aller Dinge, dann wird eben nicht so viel daraus . Höchstens ein recht beliebig wirkendes Spiel aus Foppen und aus Plagen.

Und die Masken? Sie verkleinern zwar das Gesichtsfeld, erhöhen aber dafür den Wert der Figuren, falls man das kann. Sie suchen die Verallgemeinerung. Nimmt man den stark verkleinerten Horizont trotzdem an, so erkennt man hinter den frechen, bombastischen, boshaften und unverschämten Spielideen den alten Fehdehandschuh: Theater müsse „vorne“ sein, müsse etwas setzen, das Publikum fordern, denn wehe der Bühne, die sich dem Zugucker ergäbe, dem Geschmack einer Zeit. Dies nun löst der englische Regisseur mit seiner multikulturellen Theatertruppe betont spielerisch ein. Deshalb auch die leichte Verwirrung der Ränge. Käme jetzt noch die Ebene des Mantelträgers Odin samt seiner wütenden Mannen am Himmel hinzu, wäre das Stück fast perfekt. Zeit zum Bessern ist ja, die nächsten Vorstellungen im T-Werk sind erst Ende Februar. Gerold Paul

Gerold Paul

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