Kultur: Blind Dates
Kunstverein: Treffen von Kunst und Wissenschaft
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Kunst und Wissenschaft sind ein ungleiches Paar. Aus dieser Erkenntnis eine Tugend zu machen, motivierte den Brandenburgischen Kunstverein Potsdam zu einer mehrteiligen Ausstellungsreihe. Unter dem Titel „Art + Science: Modell und Imagination" lädt er ab morgen zu drei aufeinander folgenden „Blind Dates zwischen Kunst und Wissenschaft" ein. Das Arrangement dieses nicht alltäglichen Rendezvous zwischen Künstlern und Wissenschaftlern Potsdamer Forschungseinrichtungen basiert auf einem Konzept des Vereinsvorsitzenden Gerrit Gohlke. Dem teilweise erzwungenen Teamwork, das in der Vergangenheit viele Kooperationen zwischen den beiden eher wesensfremden Disziplinen prägte, möchte Gohlke mit seinem Projekt so etwa wie einen Gegenentwurf entgegensetzen. Künstler und Wissenschaftler begegnen einander in der Bearbeitung ein und desselben Themas. Das, was beide im Vorfeld der Ausstellungspräsentation zur Visualisierung der Thematik aus ihrer spezifischen Sichtweise heraus entwickeln, mündet schließlich in einer unmittelbaren Konfrontation. Vorherige Absprachen sind möglich, aber nicht zwingend erforderlich. Das Publikum kann an den drei Ausstellungseröffnungen so etwas wie eine Uraufführung erleben, denn sämtliche Ausstellungsbeiträge sind eigens im Rahmen des Projekts entstanden.
In der ersten Ausstellung, genannt „Horde" (Eröffnung: 22. 4.), wird Dr. Dominik Kuropka vom Hasso-Plattner-Institut auf die künstlerische Auseinandersetzung Karl Heinz Jerons mit dem Informationsüberfluss in der digitalen Gesellschaft reagieren. Im Teil II der Werkschau, „Ähnliche Wirkungen" (Eröffnung: 27. 5.) wird die behutsame Annäherung an die Physiognomie des menschlichen Leichnams in gleicher Weise im Zentrum der künstlerischen Wahrnehmung von Heidi Sill stehen wie in Gegenüberstellung dazu in den Beobachtungen des Pathologen Wolfgang Mattig vom Landesinstitut für Rechtsmedizin.
„Oh, it''s a blind date", fasste der schwedische Künstler Jan Svenungsson das Konzept von „Art + Science" amüsiert und gleichzeitig sehr zutreffend zusammen, als ihn Gerrit Gohlke zur Teilnahme an dem Projekt einlud. Der polyglotte Maler und Installationskünstler wird das Ausstellungsvorhaben nutzen, um seinem persönlichen Interesse an Abstrahierung und Zeichenhaftigkeit von Sprache nachzugehen. Als Gegenspieler zu einem Linguisten wird er dabei die Dekodierungsmöglichkeiten von Sprache in seinen Fokus nehmen und das Wagnis ihrer Übertragung in die Malerei eingehen. Das Resultat steht ab 8. Juli zur Diskussion.
So unterschiedlich die einzelnen Beiträge zu den drei Blind Dates auch ausfallen dürften, so provozieren sie doch alle miteinander einen direkten Vergleich zwischen den Positionen und der Präsentationsweise aus dem Blickwinkel des Künstlers versus dem des Wissenschaftlers. Das Publikum ist aufgefordert, die Denk- und Arbeitsweise dieses – scheinbar (?) ungleichen –- Paares miteinander in Beziehung zu setzen. „Nur, wenn es die entgegengesetzten Perspektiven einnehmen und erproben kann", so die Projektskizze, „wird das Publikum Kunst und Wissenschaft besser verstehen“. Im Idealfall könnten die beiden Haltungen einander ergänzen und neue Einsichten zu Tage befördern. Unabhängig davon wird mit Spannung erwartet, wie Künstler und Wissenschaftler aufeinander reagieren. So wird das Projekt zu einem Experiment, das nicht nur die eigentliche Akteure, sondern genauso auch das Publikum für sich in Anspruch nimmt. Almut Andreae
Almut Andreae
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