Kultur: Blinde Lust an der Imagination
Polnisches Filmfest im Thalia Filmtheater
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Das Leben fühlt sich gut an – wenn man nur in der Lage ist, die Welt auch mal mit anderen Augen zu sehen. Diese einfache, aber wahre Erkenntnis fasst nicht nur die Handlung von „Imagine“ zusammen, der am Samstag auf dem „Film Polska“-Festival im Thalia Filmtheater zu sehen ist, sondern sie passt auch zu dem Filmfest selbst: Sich mal mit dem Filmschaffen der Nachbarn auseinanderzusetzen ist bereichernd und macht das Leben reicher.
Und das, obwohl „Imagine“ von Regisseur Andrzey Jakimowski ein ernster Film ist: Denn Ian, die Hauptfigur, ist blind. Über die Jahre aber hat er sich beigebracht, seine Umwelt quasi mit den Ohren zu sehen. Wegen dieser Fähigkeit wird er irgendwann an eine weltbekannte Augenklinik gerufen, um den Patienten dort dabei zu helfen, sich besser zu orientieren. Tatsächlich aber lernen sie bei ihm viel mehr – nämlich die Gegenwart durch Neugier und Vorstellungskraft mit Sinn zu füllen. Irgendwann müssen sich seine Schüler – und das Publikum – selbst fragen, wie viel Wahrheit in der Imagination steckt.
Um eine Schriftstellerin geht es hingegen in „Papusza“, einem Film über Bronislawa Wajs, der ersten Dichterin der polnischen Roma. Und auch hier prallen verschiedene Sichtweisen auf die Welt zusammen. Denn bekannt, ins Polnische übersetzt und gedruckt wurden Wajs Werke nur, weil zwei polnische Dichter auf sie aufmerksam wurden. Jerzy Ficowski und Julian Tuwim aber kommen aus einer scheinbar völlig anderen Welt, sie leben für die Empfindsamkeit, für die Schönheit von Natur und Sprache. Wajs Leben hingegen ist das harte der reisenden Roma. Regisseur Krzysztof Krauze zwingt diese beiden Realitäten nicht in eine künstliche Harmonie, er lässt sie nebeneinander existieren. Die Roma im Film sprechen deshalb Romani, die Polen Polnisch. Die Sprache wird so zum Mittel Verständigung – aber auch zum Werkzeug des Verrats.
Potsdam, genauer das Thalia Filmtheater, ist eigentlich nur eine Station des „Film Polska“-Festivals, das seit 2006 vom Polnischen Institut Berlin veranstaltet wird. Jedes Jahr bringen die Veranstalter seitdem rund 100 Filme an verschiedenen Spielorten – und damit vielschichtige Einblicke in das polnische Filmschaffen und das Leben unserer Nachbarn.
Brandaktuell und offenherzig etwa erzählt Regisseur Tomasz Wasilewski in seinem Film „Floating Skyscrapers“ von der schwierigen Situation des jungen Leistungsschwimmers Kuba. Der steht auf Männer und braucht eine Menge Sex auf dem Klo der Schwimmhalle, bis er sich schließlich selbst findet. Weit zurück in ein polnisches Trauma reicht hingegen „Lauf Junge Lauf“ von Pepe Danquart. Er handelt von Srulik, knapp neun Jahre alt. Gerade noch rechtzeitig gelingt dem Jungen die Flucht aus dem Warschauer Ghetto, um zu überleben muss er seine Herkunft und seine Religion leugnen. Der Film schildert die unglaubliche Lebensgeschichte von Yoram Fridman, die bereits als Roman ein Bestseller wurde. Am morgigen Samstag kommt Pepe Danquart zum Filmgespräch ins Thalia, am Sonntag stellt sich Tomasz Wasilewski den Fragen des Publikums. alm
Das „Film Polska“- Festival läuft noch bis einschließlich Sonntag im Thalia Filmtheater, Rudolf-Breitscheid-Straße 50. Die Filme beginnen jeweils um 19 und um 21 Uhr. Das komplette Programm unter www.thalia-potsdam.de
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